Erdbeben und Meteoritenkrater: Liquefaktions-Phänomene beim Chiemgau-Impakt

Erdbeben und Meteoritenkrater: Liquefaktions-Phänomene beim Chiemgau-Impakt

Der Impakt kosmischer Körper mit der Schaffung großer Einschlagkrater ist mit der Ausbreitung seismischer Wellen verknüpft, die Energien vergleichbar allerstärkster Erdbeben und darüber hinaus freisetzen können. Es leuchtet ein, dass ähnliche Prozesse und bekannte drastische Verformungen in der Erde und an der Erdoberfläche resultieren.

Einer interessanten Frage ist in diesem Zusammenhang W. Alvarez mit Koautoren (Alvarez W., Staley E., O’Connor D., Chan M.A., Synsedimentary deformation in the Jurassic of south-eastern Utah, a case of impact shaking? Geology, 1998, 26, 579-582) nachgegangen, als er charakteristische Deformationen in aufgeschlossenen älteren geologischen Schichten mit einem möglichen Impakt in einer früheren geologischen Epoche in Verbindung brachte. Es handelt sich um die Upheaval Dome-Impaktstruktur (Utah, USA), die nach Vorstellung der Autoren zu Liquefaktions-Phänomenen geführt haben soll. Gesteins-Liquefaktion (Gesteinsverflüssigung) ist ein bekanntes Phänomen bei sehr starken Erdbeben und kann in wassergesättigten Lockersedimenten durch den Bebenschock zu enormen Veränderungen der Erdoberfläche mit katastrophalen Gebäudeschäden führen. Für das Studium früherer Erdbeben in der geologischen Vergangenheit (Paläoseismizität) sind Beobachtungen in älteren geologischen Schichten bedeutsam, und Alvarez hatte nun darauf hingewiesen, dass fossile Liquefaktionsmerkmale in den Gesteinen nicht notwendigerweise von Erdbeben herrühren müssten, sondern auch mit früheren großen Impakten zusammenhängen könnten. Kritische Stimmen hatten dazu dann angemerkt, dass in dem speziellen Fall der relativ kleinen Upheaval Dome-Impaktstruktur ( 6 km Durchmesser) und dem geologischen Aufschluss in immerhin 260 km Entfernung ein solcher Zusammenhang wohl sehr fraglich sei.

Zum ersten Mal ist nun ein zwingender direkter Bezug zwischen einem großen meteoritischen Impakt und markanten Liquefaktions-Strukturen aufgezeigt worden, worüber nunmehr ein Artikel erschienen ist:

Ernstson, K., Mayer W., Neumair, A., and Sudhaus, D. (2011): The sinkhole enigma in the alpine foreland, Southeast Germany: Evidence of impact-induced rock liquefaction processes. – Cent. Eur. J. Geosci., 3(4), 385-397.  DOI: 10.2478/s13533-011-0038-y

typische Donnerlöcher als Folge der Impakt-Bodenverflüssigung, frisch eingebrochen und etwas älter, im Gebiet von Kienberg

Abb. 1. Ein aktueller und ein etwas älterer Donnerloch-Einbruch bei Kienberg nördlich des Chiemsees. Von herkömmlichen und wohlbekannten Erdfällen z.B. in Karstgebieten unterscheiden sich die Donnerlöcher dadurch eklatant, dass dem Einbruch zuvor eine energiereiche Bewegung von Gesteinsmassen von unten nach oben voranging, wie es typisch für Liquefaktionsvorgänge ist.

Der Artikel beschreibt die ersten geologischen und geophysikalischen Untersuchungen zum Phänomen der sogenannten “Donnerlöcher” im Raum Kienberg nördlich vom Chiemsee in Südost-Bayern. Die Autoren kommen zum Schluss, dass die seit Menschengedenken rätselhaften und auch von Geologen bisher nicht erklärbaren unzähligen plötzlichen Geländeeinbrüche auf späte und auch noch heute wirksame Prozesse einer früheren schockartigen Bodenverflüssigung (Liquefaktion) im Untergrund zurückzuführen sind, wie sie eben von sehr starken Erdbeben bekannt ist. Die geologisch so markanten Strukturen im Untergrund, wie sie diese neuen Untersuchungen aufgedeckt haben und wie sie in sehr ähnlicher Form von der katastrophalen Erdbebenserie von New Madrid (Missouri, USA) 1811/1812 bekannt sind, werden als Folge des Impaktschocks im Zuge der Entstehung des Chiemgauer Meteoritenkrater-Streufeldes (Chiemgau-Impakt) verstanden. Damit wird einmal mehr deutlich, dass im Zuge der Forschungen zum Chiemgau-Impakt das jüngste Quartär (Holozän) im Verbreitungsgebiet des Kraterstreufeldes mancherlei Revisionen bedarf.

Detaillierter mit den geophysikalischen Messungen (Widerstandsmessungen und Induzierte Polarisation) bei der Untersuchung des Donnerloch-Phänomens befasst sich ein Beitrag auf der Herbsttagung der American Geopysical Union (AGU) in San Francisco 2011:

Kord Ernstson & Andreas Neumair: Geoelectric Complex Resistivity Measurements of Soil Liquefaction Features in Quaternary Sediments of the Alpine Foreland, Germany. – AGU 2011 Fall Meeting, NS23A-1555.

Abstract und Poster können angeklickt werden.

Pseudosektion induzierte Polarisation Profil electrical imaging über aktiver Absenkung, Impakt-Bodenverflüssigung

Abb. 2. Aus der geophysikalischen Untersuchung der durch den Chiemgau-Impakt initiierten Donnerlöcher. Die geoelektrische Messung der Induzierten Polarisation auf einem Profil über eine akute Bodensenkung als Vorbote eines zukünftigen Donnerlochs zeigt in aller Deutlichkeit die Intrusionsbahnen von unten nach oben als Ausdruck der Impakt-Liquefaktion.

Etwas mehr dazu mit Bildern von den Geländearbeiten und den Aufschlüssen kann HIER angeklickt werden.