Neues aus der Welt der Impaktstrukturen, Meteoritenkrater und verwandter Themen – Folge 3

Neues aus der Welt der Impaktstrukturen, Meteoritenkrater und verwandter Themen – Folge 3

Der Nalbach (Saarland)-Impakt

Die vor wenigen Jahren zum ersten Mal an die Öffentlichkeit gebrachte Vermutung eines sehr jungen Meteoriten-Einschlagereignisses im Saarland (HIER und HIER anzuklicken) ist nunmehr voll bestätigt worden. Im Rahmen einer Diplomarbeit von Nico Berger an der Universität Trier (komplett HIER herunterzuladen) konnten in den vom Heimatforscher und Amateurarchäologen Werner Müller gesammelten und als impakt-verdächtig vorgelegten Gesteinen und Gläsern reichlich eindeutige und starke Schockeffekte nachgewiesen werden.

Nalbach-Impakt Saarland Schockeffekt Ballenstrukturen

Ballenstrukturen in Quarz vom Nalbach-Impakt als diagnostischer Schockeffekt. Dünnschliffaufnahme, 1 Pol.

Dazu gehören praktisch vollständig zu diaplektischem Glas gewordene Quarzite, zu diaplektischem Glas umgewandelte Sanidin-Kristalle, reichlich sog. Ballenstrukturen in Quarz zusammen mit Cristobalit und Tridymit, „getoasteter“ Quarz, enorm deformierte Glimmer mit dicht gescharten Knickbändern und anderen planaren Elementen, heftigst zertrümmerte dennoch kohärente Quarzkörner und multiple Scharen von planaren Brüchen (Spaltbarkeit) in Quarz.

Inzwischen wurde von Werner Müller auch ein Krater entdeckt, der einen Ringwall mit einem Durchmesser (Wallkrone zu Wallkrone) von knapp 200 m besitzt und offenbar auch durch Auswurfmassen gekennzeichnet ist.

Interessant ist weiterhin die früh geäußerte Frage, ob nicht wegen der großen Ähnlichkeit der Befunde ein synchroner Einschlag mit dem etwa 500 km entfernten Chiemgau-Impakt denkbar ist.

Auf der jüngst zu Ende gegangenen Lunar and Planetary Science Conference in The Woodlands, Texas, wurden die neuen Befunde zum Nalbach-Impakt in einem Abstract-Artikel von Nico Berger, Werner Müller und Kord Ernstson präsentiert. HIER ANKLICKEN!

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Mehr Impakt-Phänomene zwischen Ries und Bodensee?

Auf der 77. Tagung der Meteoritical Society 2014 in Casablanca hat C. Münchberg einen Abstract-Artikel über einen möglichen Impakt-Befund am Hohentwiel-Vulkan in der Nähe des Bodensees präsentiert (http://www.hou.usra.edu/meetings/metsoc2014/pdf/5114.pdf). Unpublizierte Funde von geschockten Quarzen und Shatter Cones sollen die Existenz eines Einschlags am Hohentwiel untermauern.

Dieser bisher nicht datierte Befund könnte sich in mehrere, allerdings gut belegte Beobachtungen von Brockhorizonten mit prächtigen Shatter Cones innerhalb der Oberen Süßwassermolasse in Oberschwaben und der Ostschweiz einreihen, die als Auswürflinge vom Ries/Steinheimer Becken-Impakt gedeutet werden.Oberschwaben: http://www.pfeil-verlag.de/06geol/e4_75.php Ostschweiz: http://www.nmbe.ch/sites/default/files/uploads/hofmann2008_shatter_cones.pdf

Ob die Funde von Shatter Cones in den Molasse-Ablagerungen tatsächlich aus dem Ries-Krater stammen oder nicht doch eher einem lokalen weiteren, Ries-begleitenden Impakt zugeordnet werden müssen, wird – wie früher auch schon von anderer Seite – auf der Webseite

http://www.impact-structures.com/wp-content/uploads/2014/10/Learn-more-about-spall-plates-and-distal-impact-ejecta2.pdf

mit Hinweis auf impakt-physikalische Konditionen erörtert.

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Universität Freiburg: Impaktkrater-Suche in einem Master-Studiengang

Ebenfalls auf der Tagung der Meteoritical Society wurde dieses studentische Forschungsprojekt der Fernerkundung der Erdoberfläche vorgestellt, das ausdrücklich von der Universität und dem Land Baden-Württemberg als feine Verknüpfung von Forschung und Lehre gewürdigt wird.

Abstract-Artikel anklicken: http://www.hou.usra.edu/meetings/metsoc2014/pdf/5406.pdf

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Der Nördlinger Ries-Krater: wieder vermehrt im Blickfeld der Wissenschaft

Nachdem der Rieskrater in den siebziger und achtziger Jahren vielfach als DER Modellfall und als best-untersuchter Impaktkrater auf der Erde galt, dann aber in der Folgezeit mit Blick auf die vielen neu gefundenen und ebenfalls gut untersuchten Impaktstrukturen weltweit seine angebliche Einmaligkeit mehr und mehr verlor, werden seine guten Aufschlussverhältnisse und die gute Zugänglichkeit und überhaupt der enorme Zuwachs an Erkenntnissen und neuen Fragestellungen zu Impaktprozessen vermehrt attraktiv für neue wissenschaftliche Projekte und Untersuchungen; einige Beispiele:

— Interessant der Artikel in der Zeitschrift Geology vom letzten Jahr über mögliche Erhaltung biologischer Aktivität in Impaktgläsern des Ries-Kraters (http://geology.gsapubs.org/content/early/2014/04/08/G35293.1.abstract). In dieselbe Richtung gehen übrigens der Nachweis organischer Substanzen im Impaktglas des Darwin-Kraters in Australien und in jungen Impaktgläsern aus Argentinien, was wiederum zu dem Befund beim Chiemgau-Impakt passt, wo relativ frische Holzeinschlüsse im Chiemit-Kohlenstoffgestein Impakt-Bildungstemperaturen von 2500 – 4000°C überlebt haben.

— Nachdem das sehr seltene Mineral Reidit, eine Hochdruckmodifikation des Zirkons, in der Natur zuerst und bisher nur in den Chesapeake-, Xiuyan-Impaktstrukturen und eben auch im Ries-Krater identifiziert wurde, konnte es nun auch im Rock Elm-Krater in Wisconsin, USA, nachgewiesen werden.

— Sedimentationsprozesse von Konglomeraten im Ries-Kratersee werden mit ähnlichen Ablagerungen im Gale-Krater auf dem Mars verglichen (http://www.hou.usra.edu/meetings/lpsc2014/pdf/1259.pdf) http://www.hou.usra.edu/meetings/lpsc2014/pdf/1257.pdf

— Untersuchungen über das post-impakt hydrothermale System im und beim Rieskrater http://www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc2012/pdf/1915.pdf  http://www.hou.usra.edu/meetings/lpsc2015/pdf/2917.pdf

— neue Untersuchungen zu den Ries-Auswurfmassen der Bunten Brekzie http://www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc2012/pdf/1770.pdf  http://meetingorganizer.copernicus.org/EPSC2012/EPSC2012-402.pdf

–ebenfalls zu den Ries-Auswurfmassen: ein Artikel in der Zeitschrift Meteoritics & Planetary Science über die Verteilung der Megablöcke (Fremdschollen) im Ries-Krater  http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/maps.12408/abstract

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Große Ausstellung zum Chiemgau-Impakt im April 2015 in Traunstein, Obb.

Plakat Ausstellung Chiemgau-Komet

Eine gut vier Wochen dauernde große Ausstellung zum Chiemgau-Impakt wird wie folgt auf dem Begrüßungsposter charakterisiert:

„Der Himmel stürzte ein!“ – Willkommen zur Ausstellung „der Chiemgau-Komet“

„Der Himmel stürzte ein!“ So müssen Menschen die Katastrophe beschrieben haben, die sich vor wenigen 1000 Jahren im Chiemgau ereignet hat. Ein großer kometenartiger Himmelskörper explodierte in der Atmosphäre der Erde und erzeugte mit seinen als Meteoriten herabfallenden Fragmenten ein ausgedehntes Feld von Kratern zwischen Altötting und dem Chiemsee. Ca. 80 Krater entstanden, deren Durchmesser zwischen 6 m und 600 m betragen. Die bislang größten sind der Tüttensee-Krater bei Grabenstätt, mit einem Ringwall von etwa 8 m Höhe, sowie eine durch Echolot-Messungen aufgezeigte umwallte Doppelstruktur mit den Maßen grob 800 m x 400 m am Chiemsee-Boden.

Ausmaß und Zahl der Krater machen das Feld im Chiemgau zu einem der größten und bedeutendsten Meteoritenkraterfelder der Erde. Eine Besonderheit stellen mit den Kratern zusammen auftretende extrem seltene Minerale und andere eigenartige Stoffe dar, deren mögliche Bedeutung für Astronomie und Kosmochemie noch kaum abgeschätzt werden kann. Doch das Feld bietet viele weitere Überraschungen: Bei kaum einem anderen Meteoriteneinschlag können so viele seiner Begleitphänomene dokumentiert und erforscht werden, wie z. B. Waldbrände, Tsunamis und Säureregen. Der Chiemgau muss bei diesem Ereignis die Hölle auf Erden gewesen sein. Und diese Hölle haben Menschen erlebt: Die geologisch fassbaren Spuren des Ereignisses sind in weltweit einzigartiger Weise mit archäologischen Funden verknüpft. Sie belegen, dass diese kosmische Katastrophe in der Bronze- oder Eisenzeit über die Menschen im Chiemgau hereinbrach.

Die Ausstellung präsentiert diese und andere Aspekte der Katastrophe in multimedialer Anschauung: Handfeste Funde aus dem Meteoritenkraterfeld werden ergänzt durch Erläuterungen und Filmsequenzen und lassen ein Ereignis lebendig werden, das damals weite Teile Europas in Schrecken versetzte und die Landschaft des Chiemgau nachhaltig geprägt hat.

Dieses katastrophale Ereignis ist nach der Entdeckung der ersten wichtigen Anzeichen durch engagierte Heimatforscher vor gut zehn Jahren mittlerweile ein Forschungsobjekt ersten Ranges geworden, das interdisziplinär Wissenschaftler aus allen Bereichen der Geowissenschaften (Geologie, Geophysik, Mineralogie, Petrographie, Geochemie, Geomorphologie), der Impaktforschung, der Astronomie, der Elektronenmikroskopie, der Archäologie und der Geschichtswissenschaft zusammengeführt hat, worüber einzelne Poster ausführlich gesondert informieren. Die Ausstellung legt von den wissenschaftlichen Ergebnissen Rechenschaft ab, widmet sich den mittlerweile zahlreichen internationalen Publikationen zum Chiemgau-Impakt und vermittelt in Vitrinen an Hand von unzähligen, zum Teil selten zu sehenden Vergleichsobjekten, wie die Funde aus dem Chiemgau in den Rahmen der weltweiten Impaktforschung einzuordnen sind. Damit folgt man in der Ausstellung zudem Eugene M. Shoemaker, dem großen Impaktforscher, Geologen und Astronom, dem ein eigenes Poster gewidmet ist. Er hat solche kosmischen Katastrophen als vielleicht wichtigsten geologischen Prozess in unserem Planetensystem bezeichnet, ohne den die Menschheit wohl gar nicht existieren würde. Dazu gehört, dass dem Besucher Ausführliches über Meteoriten, Kometen, Planeten und Sterne vor Augen geführt wird und wie Impaktereignisse den irdischen Rahmen mit dem astronomischen Rahmen des Kosmos verknüpfen.

Weit über den Chiemgau-Impakt hinaus geht auch die Vermittlung von Zusammenhängen aus geisteswissenschaftlicher Sicht mit Bezug auf die Historie, auf Mythen der Völker, in die mit Sicherheit Impakte aus früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte eingewoben sind, sowie die heute zunehmend ernsthaft diskutierten gesellschaftlichen Aspekte zukünftiger Bedrohungen durch Großmeteoriteneinschläge und deren mögliche Abwehr, wozu der explodierte Tscheljabinsk-Meteorit einen kleinen aktuellen Vorgeschmack geliefert hat.

Chiemgau-Impakt Ausstellung Traunstein

Teilansicht der Ausstellung.