Impakt im Experiment

Im Hinblick auf das immer noch feststellbare Unverständnis für meteoritische Impaktvorgänge, insbesondere auch bei manchen Geologen, freuen wir uns, hier einige Resultate von experimentellen Impakten, die mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen wurden, zu präsentieren. Ermöglicht wurde das durch eine Zusammenarbeit mit Werner Mehl, einem weltweit bekannten Spezialisten für Ballistik und Hochgeschwindigkeitsfotografie (www.kurzzeit.com).

Abb. 1. Experimenteller Einschlagkrater, der durch ein Projektil (wie es in der Hand liegt) in einem Untergrund aus Mehl erzeugt wurde. Der Auftreffwinkel betrug 30°. Bei ANKLICKEN läuft ein Video ab, das den mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommenen Einschlag zeigt. (Die äußere ringförmige Falte in der Folie ist nur ein Nebeneffekt des Versuchsaufbaus.) – Trotz des flachen Auftreffwinkels des Projektils ist der fertige Krater kreisrund, wie es die Impakt-Physik vorhersagt.  Dieser Umstand ist in einem interessanten historischen Zusammenhang zu sehen: Vor gut 100 Jahren, als der Barringer-Krater in Arizona (USA) zum ersten Mal als ein Meteoritenkrater angesprochen wurde, was bei Geologen eine heftige Diskussion über seinen Ursprung auslöste, sprachen sich vor allem Astronomen gegen einen meteoritischen und für einen vulkanischen Ursprung der unzähligen Krater auf dem Mond aus. Ihr Argument: Der statistisch häufigste Auftreffwinkel für Einschläge auf dem Mond ist 45°, und deshalb seien bei einem schrägen Impakt vor allem elliptisch geformte Krater zu erwarten, was aber offensichtlich ja nicht der Fall war. Zu der Zeit waren die physikalischen Vorgänge zur Schockausbreitung und Kraterentstehung noch völlig unbekannt und die Argumente der Astronomen scheinbar einleuchtend.

Zu den Einzelheiten des Experimentes ist das Folgende anzumerken: Das Projektil (der “Meteorit”) ist eine Plastikkugel mit einem Durchmesser von 6 mm (Abb. 1). Sie wird aus einer Kanone (Abb. 2)  abgefeuert und hat beim Verlassen des Laufs eine Geschwindigkeit von ca. 1500 m/s. Beim Auftreffen beträgt die Geschwindigkeit immer noch etwa 1250 m/s. Das ist eine sehr bemerkenswert hohe Geschwindigkeit im Hinblick auf den relativ geringen Aufwand, den W. Mehl bei diesen ungewöhnlich aufschlussreichen Experimenten betreibt. Impaktexperimente, die von anderen Institutionen durchgeführt werden, setzen ganz anders dimensionierte “Kanonen” ein.

Abb. 2. Die Kanone mit Einstellung für einen sehr flachen Auftreffwinkel. Rechts am Boden das “Einschlaggebiet”.

Die Geschwindigkeit, auf die die Projektile beschleunigt werden, ist ein grundlegender Faktor bei solchen Experimenten zur Kraterentstehung. Wie auf unseren Webseiten wiederholt angesprochen, entstehen echte Impaktkrater durch Einschläge von Überschall-Projektilen, d.h. die Projektile müssen mit einer Geschwindigkeit auftreffen, die größer ist als die Schallgeschwindigkeit im getroffenen Untergrund. Dann entstehen Schockwellen (oder Stoßwellen), die unabdingbar für eine Meteoriten-Kraterentstehung sind. Bei Einschlägen kosmischer Projektile, die mit kosmischer Geschwindigkeit (im Bereich von etwa 10 – 70 km/s) eintreffen, ist das der Fall. Mehr dazu kann man HIER nachlesen.

Dieser Forderung muss man auch im Experiment nachkommen, weshalb die mit der Kanone erzeugte Geschwindigkeit so wichtig ist, ebenso wie die Wahl des Untergrundmaterials. Das hier in diesem speziellen Fall gewählte Mehl erfüllt diese Bedingung. Man kann schätzen, dass die Schallgeschwindigkeit in Mehl in der Größenordnung von 100 m/s liegt, und damit ist die Auftreffgeschwindigkeit der kleinen Plastikkugel mit 1250 m/s deutlich höher. Das hat die Ausbreitung von Schockwellen zur Folge mit dem für den “Uneingeweihten” höchst überraschenden Ergebnis, dass dieses winzige Projektil einen derart großen Krater erzeugt. Das ist Impakt-Physik!

Überschall-Einschlag Experiment für Impakt-Kraterentstehung

Abb. 3. Standbild aus dem Video für die Erzeugung des Überschall-Impaktkraters. Der Einschuss kam von links vorne, was zu einer Asymmetrie im Auswurf führt und auch einen unsymmetrischen Wall erzeugt hat (Abb. 1, Aufnahmeposition 180° gedreht), wobei der Krater selbst kreisrund geblieben ist (siehe auch Abb. 3). – Beim Ries-Krater hat man überlegt, ob die stark unsymmetrische Verteilung der Impakt-Auswurfmassen (Bunte Trümmermassen, Bunte Brekzie) mit einer flachen Eintrittsbahn des kosmischen Körpers aus Norden zusammenhängen könne. Bis heute ist das ungeklärt, und auch andere Erklärungen (z.B. die geologische Schichtstufe am Albtrauf mitten durch das Ries beim Einschlag) werden diskutiert. – Bild aus Video Werner Mehl.

Das hier abspielbare Video wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen. Die von W. Mehl eingesetzten Kameras können bis zu 1 Million Bilder/Sekunde aufnehmen, und auch Aufnahmen in 3D mit einem Kamerapaar sind Routine.

Die hier gezeigte Video-Datei hat im Original eine Größe von 1 Gigabyte, was aus verständlichen Gründen in diesem Zusammenhang deutlich zusammengeschnitten werden musste. Schaut man sich das Video an (am besten in vielfacher Wiederholung), so sieht man die wesentlichen Abläufe der Kraterbildung mit der Exkavation und dem entstehenden Vorhang der Auswurfmassen (Ejekta) (Abb. 3). Sie bilden den Ringwall, der dann in den Schleier mit abnehmender Mächtigkeit um den Krater herum übergeht.

Aufschlussreich im Film zu sehen ist, wie bereits während des Wanderns des Ejekta-Vorhangs nach außen beachtliche Massen des gerade entstehenden Ringwalles wieder zurück in den sich noch vergrößernden Krater fließen.

Interessant in dem Video ist auch die Beobachtung ganz am Anfang sehr kurz nach dem Einschlag, wie einige Auswürflinge unter extrem hoher Geschwindigkeit (abgelesen aus den hochauflösenden Originalaufnahmen: einige 1000 m/s) aus dem entstehenden Krater hinausfliegen (Empfehlung: mehrmals kurz nacheinander immer wieder den Film starten). Die Impakt-Physik erklärt das als Folge von Überlagerung von Schock- und Entlastungswellen in der oberflächennahen sog. Interferenzzone mit dem Hochgeschwindigkeits-Herausschleudern der sog. (engl.) spall plates. Im Fall des Chiemgau-Impakts und des Tüttensee-Meteoritenkraters ist das insofern sehr bemerkenswert, als “erratische” große Blöcke, die wegen ihres isolierten Auftretens in oberflächenahen reinen Lehmschichten (z.T. in größerer Entfernung vom Tüttensee) den Einheimischen schon immer Kopfzerbrechen bereitet haben, als solche Spallations-”Geschosse” angesprochen werden können.