… den Prozess beim Meteoriten-Einschlag verstehen: eine einfache Annäherung

Wir sind überzeugt, dass jedes Mädchen und jeder Junge und auch viele Erwachsene irgendwann einmal Steine in den Matsch geworfen haben und beobachten konnten, wie ein hübscher kleiner Krater mit einem Ringwall und drumherum ausgeworfenem Schlamm entstanden war (Abb. 1). Später, als sie dann Bilder von dem berühmten schüsselförmigen Barringer-Meteoritenkrater in Arizona sahen (Abb. 2), mögen sie angenommen haben, dass beide durch denselben Mechanismus entstanden sind.

Abb. 1. Schlammkrater durch Steinwurf.

Abb. 2. Der Barringer-Meteoritenkrater

Andererseits auf härterem Grund können Hagelkörner oder sogar Regentropfen ebenfalls kleine Krater erzeugen (Abb. 3), und die zentrale Erhebung in den Kratern der Abb. 3 erinnert sehr stark an die Impaktkrater, die einen Zentralberg besitzen, so wie der Tycho-Krater auf dem Mond (Abb. 4). Und wiederum mag man einen ähnlichen Bildungsprozess vermuten.

Abb. 3. Durch Hagelkörner erzeugte Krater. Der Durchmesser der Miniaturkrater beträgt 5 – 10 mm.

Abb. 4. Der Meteoritenkrater Tycho auf dem Mond hat einen Durchmesser von 85 km.

ABER: SO BILDEN SICH KEINE METEORITENKRATER.

Abb. 5. Kein Vorbild für die Entstehung von Impaktkratern.

WO LIEGT DER UNTERSCHIED?

Ehe wir uns jedoch auf diese wichtige Frage konzentrieren, müssen wir zunächst die Bedeutung der Begriffe Meteoriten-Impaktkrater oder Impaktstruktur klären. Es ist richtig, dass Meteorite, die als Steine vom Himmel mit der Geschwindigkeit des freien Falls herabstürzen, kleine Krater am Boden erzeugen können – so wie die Schlamm- oder Hagelkorn-Krater. Bei diesen Kratern handelt es sich jedoch nicht um Impaktstrukturen. Impaktstrukturen werden durch einen kosmischen Körper erzeugt, der bei der Kollision eine Geschwindigkeit besitzt, die die Schallgeschwindigkeit (Geschwindigkeit elastischer [seismischer] Wellen) im getroffenen Untergrundmaterial (gewöhnlich um 5 km/s) übersteigt, was zur Ausbreitung von Schockwellen (auch: Stoßwellen) führt. Diese Bedingungen existieren nur für sehr große Projektile (Masse einige 100 Tonnen oder mehr), die nicht merklich durch die Reibung in der Atmosphäre abgebremst werden und mit voller kosmischer Geschwindigkeit (10 – 70 km/s) auftreffen.

Das Video eines experimentellen „Überschall“-Impaktes im Labor, der mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen wurde, kann man mit Klick auf das Bild abspielen:

hypervelocity impact experiment

Der Begriff Impaktstruktur wird häufig synonym mit Impaktkrater gebraucht, und manchmal unterscheidet man Impaktstrukturen von Impaktkratern wegen ihrer schwach ausgebildeten Morphologie, wenn man diese mit einem „richtigen“ Krater vergleicht. In beiden Fällen sind aber die Bedingungen des Überschall-Einschlags mit der Ausbreitung von Schockwellen grundlegend für die Bildung dieser geologisch außergewöhnlichen Strukturen gewesen.

Die drei Phasen der Impakt-Kraterbildung

In der Impaktforschung hat man die Unterteilung des Kraterbildungsprozesses in drei Phasen allgemein akzeptiert. Diese drei Phasen sind:

— die Kontakt- und Kompressionsphase (Abb. 6)

— die Auswurf-(Exkavations-)Phase (Abb. 7)

— die Modifikationsphase (Abb. 8)

Nachfolgend werden diese drei Phasen illustriert und etwas vereinfachend beschrieben.

Abb. 6. Die Kontakt- und Kompressionsphase der Kraterbildung.

Im Moment des Einschlags eines kosmischen Körpers starten vom Kontaktpunkt Schockwellen, die sich sowohl in den Untergrund als auch in den Impaktor ausbreiten. Schockwellen sind durch einen augenblicklichen Einsatz extremer Drücke (bis zur Größenordnung von Megabar) und – bei der Druckentlastung – extremer Temperaturen (bis zu 10 000 Grad oder mehr) gekennzeichnet. Diese Temperaturen reichen aus, den Impaktor mehr oder weniger vollständig zu verdampfen, ebenso wie ein etwa vergleichbar großes Volumen des Untergrundmaterials, was zu einer sich ausbreitenden gigantischen Impakt-Dampfwolke führt.

Beim grob halbkugelförmigen Ausbreiten der Schockfront in die Gesteine des Untergrundes hinein nehmen die Schockenergien ab und damit auch die Drücke und Temperaturen. Demgemäß schließt an die Zone der Verdampfung eine Zone des Schmelzens der Gesteine an, und wenn die Schockenergie weiter nachlässt, werden die Gesteine nur noch heftigst deformiert und zertrümmert (brekziiert) – ebenfalls mit abnehmender Intensität. Und getrieben durch diese Überschall-Impaktdeformation werden die geschmolzenen und zertrümmerten gesteien hinter der Schokfront beschleunigt, was – in der zweiten Phase – den Exkavations-Massenstrom initiiert.

Da kosmische Impaktoren praktisch beliebige Größe haben können, kann die (kinetische) Energie, die durch den Impakt der Erde und geologischen Prozessen zugeführt wird, praktisch unbegrenzt sein. Das unterscheidet sich grundlegend von „normalen“, endogenen geologischen Prozessen wie Vulkanismus und Tektonik und dürfte zu der Situation beitragen, dass für viele Geologen Impakt unbegreifbar bleibt, um so mehr als diese Energy in extrem kurzer Zeit freigesetzt wird.

Abb. 7. Die Exkavations-Phase der Kraterbildung.

Anders als bei den Schlammkratern ist der Massenauswurf beim Impaktkrater untrennbar mit der Ausbreitung von Schockwellen verknüpft. Schockwellen verhalten sich wie andere Wellen, sie können interferieren, und sie können reflektiert und gebrochen werden. Breiten sie sich vom Kontaktpunkt des Impaktes aus, werden die Schock-Druckwellen permanent an der Erdoberfläche als Entlastungs-Zugwellen vergleichbarer Intensität reflektiert, die hinter den Schockwellen ebenfalls in den Untergrund laufen. Auf diese Weise werden alle Gesteinspartikel hinter der sich ausbreitenden Schockfront sowohl von der Druckwelle als auch von der Zugwelle „überrollt“, wobei beide sich zu einem Beschleunigungsvektor vereinigen. Berechnet man diese Vektoren (Richtung und Stärke) für jeden Punkt des Untergrundes, so ergibt sich ein Feld für den Exkavationsfluss mit gebogenen Bewegungsbahnen, wie es die Abb. 7 vermittelt. Dieses Fliessfeld vergrößert sich mit der Zeit, und die Massenbewegungen sind nach oben, seitwärts und nach unten gerichtet. Im oberen Bereich erlaubt das Fliessfeld, dass die Massen als Auswurfmassen (Ejekta) der sich vergrößernden Exkavationshohlform „entkommen“ können. Unter einer Bewegungsbahn, die den Boden und die Wände der sich ausdehnenden Hohlform definiert, kann das Gesteinsmaterial nicht heraus und wird seitwärts und nach unten komprimiert. Die Exkavationsphase endet mit der Entlastung vom Schock und wenn die Gesteinsverschiebungen bei der Bildung des Exkavationskraters und durch die Kompression zur Seite und nach unten maximal sind. Die nunmehr existierende schüsselförmige Struktur die einen angehobenen Ringwall und eine umgebende Gesteinsdecke aus Auswurfmaterial besitzt, wird transienter (Übergangs-)Krater genannt. Das signalisiert offensichtlich, dass der Kraterbildungsprozess noch  nicht zu Ende ist, der nunmehr in die Modifikationsphase eintritt.

Wir haben gesehen, dass die Ausbreitung von Schock- und Entlastungswellen grundlegend für die Bildung eines Meteoriten-Impaktkraters ist. Abgesehen von der ganz besonderen Rolle, die die Entlastungswellen für die Entstehung des Fließfeldes der Exkavation spielen, sind sie besonders auch geologisch bedeutsam. Ein kompressiver Schockimpuls wird nicht nur an der freien Oberfläche reflektiert, sondern stets auch dann, wenn er auf eine Grenzfläche von Material geringerer Impedanz (= Produkt aus Dichte und Schallgeschwindigkeit) trifft, wo ein Teil seiner Energie als Zugimpuls reflektiert wird. Diese reflektierten Zugspannungen sind insofern wesentlich, als die Zugfestigkeit der Gesteine viel geringer als die Druckfestigkeit ist. Folglich werden bei einem Impakt im allgemeinen viel größere Zerstörungen durch die Zugwellen angerichtet und nicht durch die Druckwellen des Schocks. Das führt dazu, dass in Impaktstrukturen viele strukturelle Besonderheiten zu beobachten sind, die den Geologen verwirren, aber eben das Resultat der starken Zugkräfte sind.

Abb. 8. Die Modifikationsphase der Kraterbildung.

 

Der Begriff „transienter (Übergangs-)Krater“ bedeutet, dass der Kraterbildungsprozess noch weitergeht, nachdem der Exkavationsfluss zum Stillstand gekommen ist. Was geschieht mit dem transienten Krater? Das hängt vor allem von der Größe ab. Ist der transiente Krater klein, bleiben die Modifikationen gering. Bei der Druckentlastung gibt es am Kraterboden eine elastische Rückfederung, wo sich eine Schicht aus brekziiertem Material ansammelt. Die Struktur des transienten Kraters bleibt weitgehend erhalten, und wir sprechen von einem einfachen oder schüsselförmigen Krater (Abb. 9).

Für größere transiente Krater kann die Modifikation dramatische Züge annehmen. Elastische Rückfederung und Kollaps führen dazu, dass sich die Exkavationsbahnen gewissermaßen umkehren. Die Gesteinsmassen tendieren dazu, sich nach oben und zentripetal zur Mitten hin zu bewegen, und werden dabei von gewaltigen Verwerfungen mit Abschiebungscharakter begleitet, was zu einer weitgehenden Wiederauffüllung des transienten Kraters führt. Dabei kommt es zur Bildung von Zentralbergen und Ringsystemen, und wir sprechen von Zentralberg-Kratern und Ringkratern mit einem Ring oder mit Mehrfachringen, die die Gruppe der sogenannten komplexen Impaktkrater oder komplexen Impaktstrukturen begründen (Abb. 9).

Der Übergang von den einfachen zu den komplexen Kratern liegt bei etwa 1,5 – 4 km (abhängig von den Gesteinen im Einschlaggebiet) Endgröße für irdische Krater und ist viel Größer (ca. 15 km) für Krater auf dem Mond. Das legt nahe, dass  der Kollaps des transienten Kraters in der Modifikationsphase weitgehend von der Schwerkraft gesteuert wird (gMond ≈ 1/6 gErde).

Für ganz große Krater laufen Exkavations- und Modifikationsphase nicht so eigenständig ab, wie zuvor zu lesen ist. Computer-Simulationen zeigen, dass der Modifikationsprozess bereits beginnen kann, bevor die Exkavation zum Stillstand gekommen ist, was zu gewaltigen gegenläufigen Bewegungen der Gesteinsmassen führt. In der großen Azuara-Impaktstruktur mit 35 – 40 km Durchmesser gibt es stratigraphische Befunde für eine solche Koinzidenz von Exkavation und Kollaps (siehe HIER).

Abb. 9. Querschnitte für einfache und komplexe Impaktkrater. Die Abb. 10 – 12 zeigen zugehörige typische Beispiele irdischer  Strukturen.

 

Alles in allem sind große Impaktkrater morphologisch flache Strukturen, wenngleich die Impaktmerkmale – Gesteinsdeformationen, Schockmetamorphose – sich bis in beträchtliche Tiefen erstrecken können. Typischerweise sind sie gefüllt mit Impaktgesteinen (Impaktiten) in Form von Impaktschmelzgesteinen, Sueviten und den verschiedensten Arten von Brekzien.

Abb. 10. Ein schüsselförmiger einfacher Krater (Wolfe Creek, Australien, Durchmesser 900 m).

Abb. 11. Ein Zentralberg-Krater (Gow, Kanada, Durchmesser 4 km)

Abb. 12. Ein Ring-Krater (englisch: peak ring crater; Clearwater West, Kanada, Durchmesser 32 km). Die Aufnahmen der Abb. 10 – 12 stammen – leicht verändert – von der NASA.

Eine ganze Reihe von Fragen dürfte offen geblieben sein. Wie groß war z.B. der Impaktor, der eine Impaktstruktur vorgegebener Größe erzeugt hat? Natürlich ist das eine Sache der Energie, die mit der Masse (und damit Dichte) und der Impaktgeschwindigkeit des Projektils verknüpft ist, untergeordnet aber auch eine Sache der Lithologie des Gesteinsuntergrundes. Eine ganz grobe Faustformel kommt zu einem 1 : 10-Verhältnis der Durchmesser. Hierbei wird noch einmal der Unterschied deutlich: Im Falle der Matsch- und Regentropfen-„Impakte“ sind die Krater kaum größer als das Projektil.

Bisher haben wir stets den Impakt eines festen Objektes (Stein- oder Eisenmeteorit) betrachtet. Was geschieht, wenn ein Komet oder ein locker gebundener Asteroid (wie Asteroid Mathilde, Abb. 13) auf der Erde einschlägt? Für die grob 200 auf der Erde dokumentierten Impaktstrukturen konnte bisher weder ein Komet noch ein „Trümmerhaufen“-Asteroid definitiv als Impaktor festgeschrieben werden. Berechnungen legen nahe, dass Krater, die durch ein Projektil geringer Dichte erzeugt werden, flacher sind und ein merklich größeres Durchmesser-Verhältnis haben – verglichen mit dem oben genannten 1 : 10-Verhältnis.

Abb. 13. Der Asteroid Mathilde mit einem Durchmesser von 50 km hat eine mittlere Dichte von nur 1,3 g/cm3 und wird als eine Art Schutthaufen locker gebundenen Materials angesehen. Was passiert, wenn ein solch locker zusammengesetzter Impaktor die Erde trifft? Bild: NASA.

Wie sieht ein Impaktkrater aus, der bei einem schrägen Einschlag entstand? Statistisch bilden Impaktbahnen am häufigsten einen Winkel von 45° mit der Oberfläche. Trotzdem ist der resultierende Krater stets mehr oder weniger kreisrund, es sei denn, die Einflugbahn ist sehr flach, weniger als 10°. Dann könne sich gelängte Krater bilden, und die Verteilung der Auswurfmassen kann erheblich von einer Kreissymmetrie abweichen.

Zu Beginn der Debatten über Meteoritenkrater (vor etwa 100 Jahren) waren für die Astronomen die vielen Krater auf dem Mond vulkanischen Ursprungs. Das schlossen sie aus der erwähnten statistischen Häufung schräger Impaktwinkel, was nach ihrer Meinung zu elliptisch geformten Kratern hätte führen müssen. Da das ganz offensichtlich nicht der Fall war, konnte die Mehrzahl der Mondkrater nicht meteoritisch sein. Allerdings war zu jener Zeit die Physik des Impaktes einschließlich der Schock-Physik noch völlig unverstanden. Das betraf insbesondere auch die Verdampfung des Impaktors durch die schock-induzierten extremen Temperaturen und ließ die Bergbau-Ingenieure ratlos, als sie den erwarteten 50 m-Eisenmeteoriten unter dem Boden des Barringer-Meteoritenkraters trotz intensivster Exploration nicht antrafen.

Vorschlag für weitere Lektüre

Kathleen Mark: Meteorite Craters. How scientists solved the riddle of these mysterious landforms. 288 Seiten, The University of Arizona Press, Tucson, 1986.

und für fortgeschrittene Leser

Melosh, H.J.: Impact cratering. A geologic process. 245 Seiten, Oxford Univ. Press, Oxford, 1989.