von Kord Ernstson, Hans-Peter Matheisl, Jens Poßekel and Michael A. Rappenglück
Der jüngst (Februar 2022) von Kenkmann et al. (Thomas Kenkmann, Louis Müller, Allan Fraser, Doug Cook, Kent Sundell, Auriol S.P. Rae) im GSA Bulletin veröffentliche Artikel über das angeblich erste auf der Erde nachgewiesene Impakt-Sekundärkrater-Streufeld hat zu einer Fülle merklicher Reaktionen vor allem im Internet geführt. Impakt-Sekundärkrater findet man auf dem Mond, Planeten und ihren Monden als wohlbekanntes Phänomen, das vielfach von Impaktforschern untersucht worden ist. Bei größeren Einschlägen führt die Exkavation und die Ejektion größerer Gesteinsbrocken bei ihrer Landung zur Entstehung kleinerer Einschlagkrater in einem Umkreis um den primären Einschlag. Nach den Untersuchungen von Kenkmann et al. soll so etwas im US-Bundestaat Wyoming passiert sein, wovon heute ein etwa 90 km langer Streifen von 31 mit Schockeffekten nachgewiesenen kleineren Kratern (Durchmesser 10 – 70 m) in drei Clustern Zeugnis ablegen sollen.
In einem ausführlicheren Kommentar-Artikel, der über einen LINK und auch HIER direkt angeklickt werden kann, wird dargelegt, dass das Kraterstreufeld als Sekundärfeld eines großen primären Impaktes eine reine Fiktion ist, und die Autoren wohl eher von dem Wunsch nach wissenschaftlichen Meriten als von seriöser Forschung geleitet wurden.
Die drei Hauptargumente der Autoren und die jeweilige Zurückweisung im Kommentarartikel:
1 Eine auslösende große Impaktstruktur ist zwar bis heute nicht eindeutig nachgewiesen, kann aber nach Karten der gravimetrischen Freiluft-Anomalien als große negative Anomalie vermutet werden.
Dagegen: Die Freiluft-Anomalie ist völlig fehl am Platz. Die stattdessen richtige Bouguer-Anomalie, die leicht im Internet herunterzuladen ist, zeigt nirgendwo eine auch nur annähernd „verdächtige“ Anomalie, die einen großen Impakt signalisieren könnte.
2 Aus der Längung von elliptisch bis eiförmig erkannten Kratern werden Krater-Exzentrizitäten und Streichrichtungen der Längsachsen abgeleiten, die vier Korridore der Flugbahn der Krater-Projektile aufspannen und sich etwa in einem Areal bei der (untauglichen) Freiluftanomalie schneiden sollen.
Dagegen: Die Krater-Vermessungen sind nicht nur statistich sondern auch vom Ansatz her völlig untauglich. Von den 31 vermessenen Kratern sind 15 kreisrund (Exzentrizität e = 1) und immerhin 19 von den 31 haben ein e ≤ 1,2. Runde und gelängte Krater mischen sich in den Clustern. Solche Mischungen sind bei multiplen Projektilen eines primären Einschlags viel eher vorstellbar als bei Sekundärkratern. Im gesamten Kenkmann et al.-Artikel gibt es nicht eine einzige Abbildung mit der genauen Topographie auch nur eines einzigen Kraters mit Höhenlinien und/oder Profilschnitten. Es ist unmöglich, die Vermessungsergebnisse nachzuvollziehen. Stattdessen werden im Artikel und in den Supplemental Materials nur Luftbilder von den durch Vegetation verwaschenen Kratern gezeigt. Das Aufspannen von Ejekta-Korridoren mit teilweise nur ein oder zwei Achsen-Werten ist reine Augenwischerei.
3 Das dritte Argument von Kenkmann et al.: Ein 90 km langes Krater-Streufeld mit einzelnen getrennten Clustern kann nicht von einem primären Impakt erzeugt werden. Das zeigen etwa 20 Jahre alte Modellrechnungen und der Vergleich mit den bekannten kleinen, auf kleine Flächen beschränkten Streufeldern wie z.B. Morasko und Sikhote Alin.
Dagegen: Hier stellt sich die Frage nach wissenschaftlicher Manipulation. In der Literatur gibt es umfangreiche Literatur über die größeren bis großen Impakt-Streufelder von Campo del Cielo, Bajada del Diablo und Chiemgau-Impakt. Sie werden mit nicht einem einzigen Wort bei Kenkmann et al. erwähnt.
Dem hilft der Kommentar-Artikel ab. Hier werden den Befunden von Wyoming die bis heute in einer großen Zahl von Veröffentlichungen vorgelegten Erkenntnisse zu den Strukturen der Krater und den mineralisch-petrographischen Belegen einander gegenübergestellt und gezeigt, dass Wyoming und Chiemgau-Streufelder in ihren Befunden weitgehend korrespondieren mit der Überzeugung, dass von der wissenschaftlich Bedeutung her und mit der Fülle der publizierten Daten das Impakt-Streufeld des Chiemgau-Ereignisses das Wyoming-Streufeld keinen Grund gibt, dass momentan so viel Wind darum gemacht wird. Einen primären Impakt-Krater und ein Sekundärkrater-Impaktfeld in Wyoming gibt es nicht.
Bei soviel „Aufregung“ um das „terrestrisch erste Sekundärkrater-Streufeld“ wird vor allem vergessen, dass es das erste gigantische terrestrische Sekundärkrater-Streufeld längst gibt: die riesige Ansammlung der in Richtung des Einschlags elliptisch geformten Carolina Bays, das von Geologen und einigen Impaktforschern immer noch mit fast ausschließlich absurden Deutungen abgelehnt wird. Im Kenkmann et al.-Artikel hätte man unbedingt einen Hinweis auf das Carolina Bays-Streufeld erwartet, auch wenn es noch umstritten erscheint. Aber dann hätte natürlich für das Wyoming-Streufeld nicht so das Attribut des „ersten terrestrischen Feldes“ herausgestellt werden können.
Wyoming: Krater SM 3, 4, 5. Google Earth.
Chiemgau-Impakt. Krater Unterroidham. Digitales Geländemodell DGM 1, Höhenlinien.
Ergänzung
Dass es möglicherweise auch beim Nördlinger Ries-Impakt Sekundär-Impaktkrater gegeben hat, die beim Einschlag von den kleineren Komponenten der Bunten-Brekzie-Auswurfmassen zugedeckt wurden, haben jüngere Messungen der Gravimetrie ergeben:
Ernstson, K.: (2020): A GRAVITY ANOMALY IN THE RIES IMPACT CRATER EJECTA BLANKET: SECONDARY OR PRIMARY CRATERING?. – 51st Lunar and Planetary Science Conference, 1227.pdf.