Vier Beiträge in der iPoster Gallery zu folgenden Impakt-Themen:
Great Salt Lake Astrobleme, Nalbach/Saarlouis-Impakt, tschechischer Impakt, Impakt-Transpression/Transtension, Steinheimer Becken, Digitale Geländemodelle zu tschechischen und deutschen Krater-Streufeldern, Shatter Cones
iPoster ist die neue Art der multimedialen online Vermittlung von Forschungsergebnissen auf internationalen Tagungen. Anklicken und staunen!
Autor: Gewidmet den Pionieren der Impaktforschung, die ungeachtet heftiger Kritik mutig und geradlinig auf dem eingeschlagenen Weg blieben, dadurch den Blick auf die Geschichte der Erde und der Lebewesen erhellt und die Menschheit auf ein überlebensrelevantes Projekt hingewiesen haben.
Inhaltsverzeichnis. Einleitung – Kosmische Kollisionen und die Erde – Das Inferno der Mondentstehung – Das Große Bombardement der Frühzeit – Die Warnschüsse des heutigen Kreuzfeuers – Impakte und erdgeschichtliches Sterben – Asteroiden und Kometen: Forschungen zu den Impaktoren – Nachgewiesene Treffer im heutigen Deutschland – Der Blick in die ungewisse Zukunft – Ein überlebensrelevanter Vorschlag
Gibt man im Internet den Buchtitel „Bomben aus dem All“ als Suchbegriff ein, so findet man das 25 Jahre alte Buch von J.S. Lewis mit dem selben Titel (und der Titel-Ergänzung „Die kosmische Bedrohung“), 1995, ein Jahr nach dem spektakulären Shoemaker-Levy-Kometen-Einschlag auf dem Jupiter, den 10-Seiten-Beitrag von K. Jakob mit genau eben diesem Titel in dem Buch „Entfesselte Gewalten“, sowie auch ein Hörbuch von H. Lesch mit dem vollständigen Titel und dem Fragezeichen „Asteroiden – Bomben aus dem All?“
Es ist ein ungewöhnlicher Beitrag ohne Abbildungen und ohne Literaturverzeichnis von einem Autor, den man gewiss nicht zur Impakt-Wissenschaftsszene rechnet, dem es aber gelungen ist, die Thematik, wie sie das Inhaltsverzeichnis ankündigt, extrem komprimiert, dabei im besten Sinne populärwissenschaftlich, man ist geneigt zu sagen: beinahe erschöpfend dem interessierten Leser zu vermitteln. Akribische, fast penible Auflistung von Ereignissen, Zusammenhängen, Publikationen und namhaften Wissenschaftlern bis zum jüngsten vom Rezensenten festgestellten Datum des 20./21.Oktobe 2020 beeindrucken, was wohl auch ein angesehener Verlag mit dem Druck so beurteilt hat.
Was hat den Autor, der bereits früher kluge Wissenschaftsbücher zum Nachdenken (z.B. über die Evolutionstheorie) veröffentlicht hat, zu diesem Buch zur Impakt-Forschung bewogen? Eine Antwort geben die beiden letzten Kapitel mit einem gewiss sehr bedenkenswerten Appell, der, so fürchtet der Rezensent, in seiner Rigorosität vorerst Wunschdenken bleiben wird. Dabei geht es wieder auch um Bomben – Bomben auf der Erde – Bomben ins All?
Astrogeologische Erdgeschichte in einem Tagebuch kurzgefasst, von den Anfängen bis zu einem denkbaren katastrophalen Ende: Empfehlenswert (für Euro 14,95). Der Rezensent hat bereits überlegt, an wen er das Büchlein verschenkt. (K. Ernstson)
(K. Ernstson, B. Rappenglück, M.A. Rappenglück). – In einem neuen Artikel haben Huber, Darga und Lauterbach den mittlerweile international und in der Bevölkerung anerkannten Chiemgau-Impakt in Südostbayern einmal wieder diskreditiert und den Tüttensee-Krater und den Impakt insgesamt, teilweise mit abstrusen Vorstellungen, der Eiszeit einverleibt.
Wir haben den Kommentar sehr kurz gefasst, und wir möchten hier auch gar nicht ausführlicher darauf eingehen (es lohnt nicht), aber es ist vielleicht interessant, einmal ein wenig Ursachenforschung zu betreiben, zumal wir immer wieder, z.B. auch im Gelände bei unseren geologischen und geophysikalischen Untersuchungen, gefragt werden, woher denn bei aller Eindeutigkeit des Chiemgau-Impaktes diese heftige Ablehnung kommt. Ablehnung der wohl größten, mittlerweile international anerkannten geologischen Entdeckung in Bayern der letzten 15 Jahre (neben vielleicht der paläontologischen „Udo“-Ausgrabung im Allgäu, zu der sogar der bayerische Ministerpräsident anreiste).
DIGITAL TERRAIN MODEL (DTM) TOPOGRAPHY OF SMALL CRATERS IN THE HOLOCENE CHIEMGAU (GERMANY) METEORITE IMPACT STREWN FIELD. K. Ernstson and J. Poßekel
The Digital Terrain Model (DTM) of craters in the Chiemgau meteorite impact strewn field with extreme topographic resolution excludes anthropogenic and glacial origin in principle and provides insight into unusual formation processes.
NOT JUST A RIMMED BOWL: GROUND PENETRATING RADAR (GPR) IMAGERY OF SMALL CRATERS IN THE HOLOCENE CHIEMGAU (GERMANY) METEORITE IMPACT STREWN FIELD. J. Poßekel and K. Ernstson
High resolution ground penetrating radar (GPR) measurements over craters of the Holocene Chiemgau impact meteorite crater strewn field reveal instructive images of complex structures and chronological sequences during excavation.
____________________________________________
Modern Problems of Theoretical, Experimental, and Applied Mineralogy (Yushkin Readings — 2020) Proceedings, Syktyvkar, Komi Republic, Russia, 7—10 December 2020
Zum digital begangenen Internationalen Museumstag 2020: Das virtuelle Impakt-Museum Grabenstätt hat eröffnet: Anklicken!
Der zunächst unschöne Anlass hat dazu geführt, die nun seit über 10 Jahren Existenz etwas in die Jahre gekommene Ausstellung im Impakt-Museum Grabenstätt komplett digital für einen virtuellen Besuch umzusetzen und auf den allerneuesten Stand zu bringen, der kürzlich gemachte Funde und Befunde, Analysen, internationale Kongress-Präsentationen und Veröffentlichungen, selbst neue Hypothesen vereint. Wie im realen analogen Museum umfasst das neue virtuelle Museum als einen Schwerpunkt den Chiemgau-Impakt, führt darüber hinaus aber auch durch die gesamte internationale Welt der Impakt-Forschung sowohl für den Laien als auch für den Fachwissenschaftler. Machen Sie einen Besuch!
Wegen Corona ist die diesjährige 51. Lunar & Planetary Science Conference (LPSC) in The Woodlands/Houston, die in fünf Tagen am 16.3.2020 beginnen sollte, abgesagt worden. Zur Präsentation angenommene Abstracts und Poster werden trotzdem als normale zitierfähige und archivierte Beiträge behandelt.
Zwei Beiträge zu Impakten in Deutschland – Nördlinger Ries und Chiemgau-Impakt – können unter den folgenden Titeln und Links heruntergeladen werden:
Schweremessungen (Gravimetrie) auf dem 2017 erschienenen
Blatt 7229 Bissingen der Geologischen Karte von Bayern 1 : 25 000 (Bayerisches
Landesamt für Umwelt LfU)
Kord Ernstson, Nov. 2019
Zusammenfassung: Im Rahmen eines Projektes zur Untergrunderkundung wurden im Nördlinger Ries in der südlichen Zone des Gürtels aus Auswurfmassen auf einer Fläche von rund 20 km2 Schweremessungen (Gravimetrie) durchgeführt. Ziel der Untersuchungen war die Erfassung der Ablagerungsstruktur der Bunten Trümmermassen/Bunten Brekzie im Raum Bissingen. Ergebnis ist der Nachweis einer großen muldenartigen Struktur mächtiger Ejekta-Füllung , die mit einem enormen „secondary cratering“ oder einem kleineren begleitenden „primary cratering“ erklärt wird. Zur selben Zeit der Schweremessungen fanden Geländearbeiten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) für die neue geologische Karte Blatt Bissingen statt, die jüngst mit Erläuterungen im Druck erschienen ist. Obgleich dem kartierenden Geologen vom LfU die bemerkenswerten Resultate der Gravimetrie bekannt waren und diese auch gemeinsam diskutiert wurden, findet sich in den Erläuterungen zu Blatt Bissingen kein Wort darüber. Der Wert der an sich sehr guten Geländeaufnahme der Karte wird zudem geschmälert durch eigenartige, erfundene und durch nichts belegte strukturelle Impakt-Konstrukte unter den verhüllenden Bunten Trümmermassen, was der Ries-Geologie und der Ries-Forschung generell einen Bärendienst erweist
____________________________________________
1Einführung
Das Nördlinger Ries (oder der Ries-Krater) muss an dieser
Stelle nicht weiter beschrieben werden (obgleich es ehrwürdige Professoren der
Geologie/Paläontologie in Deutschland gibt, die bis auf den heutigen Tag noch
nie in dieser geologischen Ausnahme-Struktur waren). Der Verf. ist
wissenschaftlich sozusagen mit dem Ries groß geworden. Seiner Diplomarbeit mit
Arbeiten im Krater folgte 1972 eine erste Publikation in einer
wissenschaftlichen Zeitschrift, der 1974 die Dissertation mit einem Ries-Thema
folgte. In der Zwischenzeit fand 1973 die bekannte ca. 1200 m-Tiefbohrung im
Inneren der Struktur statt, an der der Verf. begleitend und mit Auswertungen
und Publikationen beteiligt war. Später in der Lehre folgten Geländemessungen
in Studenten-Praktika und über viele Jahre regelmäßige geologische Exkursionen
zu den „spannendsten“ geologischen Aufschlüssen.
Das wird hier vorangestellt, weil das Ries, später dann
sozusagen vor der Haustür, die weiteren wissenschaftlichen Arbeiten des Verf.
zu Impaktstrukturen in Frankreich, Spanien, Türkei/Griechenland aber auch im
Schwester/Bruder-Krater des Steinheimer Beckens und in dem seit einiger Zeit
etablierten Chiemgau-Impaktstreufeld (Ernstson et. al 2010, Rappenglück et al
2018), begleitete und neue Publikationen über das Ries sorgfältig zur Kenntnis
genommen wurden.
Deshalb wurden die Geländearbeiten von D. Jung vom
Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) zur Erstellung der neuen geologischen
Karte 1: 25 000 Blatt Bissingen im
Bereich der Ries-Auswurfmassen mit großer Neugier zur Kenntnis genommen, zumal
zur selben Zeit die Schweremessungen des Verf. mitten auf Blatt Bissingen
stattfanden, und die Freude war zunächst groß, als das Blatt dann vor zwei
Jahren im Druck erschienen war. Hier berichtet der Verf. über dieses
Gravimetrie-Projekt und nutzt dies, um auf spezielle Ries-bezogene
„Eigentümlichkeiten“ der Erläuterungen zur Karte von D. Jung
einzugehen.
2 Die Gravimetrie im
Raum Bissingen
Im folgenden wird es eine relativ kurze Zusammenstellung der
Messungen und ihrer Resultate geben und vorausgesetzt, dass der Leser mit den
Grundzügen dieses wichtigen geophysikalischen Verfahrens einigermaßen vertraut
ist. Grundlage dafür, dass die Gravimetrie bestens geeignet ist, die
Mächtigkeit der Bunten Trümmermassen/Bunten Brekzie zu ermitteln, ist ein
anzunehmender erheblicher Dichteunterschied zwischen den Auswurfmassen und dem
Autochthon des Malm vorwiegend in Kalkstein- und Dolomit-Fazies, was die
Messungen dann eindrucksvoll bestätigt haben.
Abb. 1 zeigt zur Orientierung einen Ausschnitt der geologischen Übersichtskarte des Rieses, in die der Blattrahmen der geologischen Karte Bissingen markiert ist und in der der Pfeil auf das Untersuchungsareal der Gravimetrie weist.
Abb. 1 . Ausschnitt der geologischen Übersichtkarte des Ries-Kraters mit der Lage des Untersuchungsgebietes (Pfeil) im Kartenblatt 7229 Bissingen der geologischen Karte von Bayern 1 : 25 000 in der Zone der Auswurfmassen des Impaktes. Quelle: früheres Bayer. Geol. LA.
Abb. 2. Karte der gemessenen Gravimeterstationen.
Die mehr als 200 gravimetrischen Messpunkte sind in die
Karte in Abb. 2 eingetragen mit einer zentralen stärkeren Konzentration und
größeren randliche Abständen, um regionale Schwereänderungen beurteilen zu
können.
Die Auswertung erfolgte mit den bekannten üblichen
Reduktionen der Messwerte, was in der Konstruktion der BOUGUER-Schwerekarte in
Abb. 3 resultierte. Unübersehbar ist ein in diesem Ausmaß nicht erwartetes
muldenartiges Schwereminimum, das in einer 3D-Darstellung der Schwerefläche
besonders zum Ausdruck kommt und eine merkliche Strukturierung zeigt
Abb. 3. BOUGUER-Schwerekarte mit Gravimeter-Stationen und Profilstrecke für Modellierung.
Abb. 4. BOUGUER-Schwerekarte in einer Pseudo-3D-Darstellung.
Sie vermittelt ein stark ausgeprägtes Relief der geologischen
Untergrundstrukturen. Blickrichtung NE.
Eine erste einleuchtende qualitative Interpretation sagt
sofort, dass in diesem Bereich die Mächtigkeit der Trümmermassen geringer
Dichte besonders groß sein muss. Wieviel das ist, liefern einfache
Modellierungen für ein Schwereprofil, das in die BOUGUER-Karte der Abb. 3
eingetragen ist.
Das Ergebnis einer 2,5D-Modellierung bringt die Abb.5 mit
einem zunächst sehr einfachen Modell für eine Grenzfläche zwischen zwei
Dichte-Körpern, die den Trümmermassen und dem liegenden Autochthon zugeordnet
werden. Als Dichtedifferenz wurde für die Modellierung -0,25 g/cm3
angenommen, was nicht völlig falsch sein dürfte und mit bekannten Dichten der
beteiligten lithologischen Einheiten korrespondiert. Geringere
Dichtedifferenzen führen bei der Modellierung zu größeren, stärkere Dichteunterschiede
zu reduzierten Mächtigkeiten der Trümmermassen.
Abb. 5. Schwereprofil für die Strecke in Abb. 3 und
2.5D-Modellierung der Basis Ries-Trümmermassen gegen autochthonen Malm.
Für eine pauschalere Betrachtungsweise verwendet die Modellierung
in Abb. 6 das stark geglättete Schwereprofil der Abb.3 mit einer entsprechenden
einfacheren Modellierung und einem zugehörigen einfachen gro0en muldenförmigen
Störkörper. Hier lässt sich am einfachsten „plakativ“ ablesen, dass
die Mächtigkeit der Auswurfmassen bei der als vernünftig angenommenem
Dichtedifferenz zwischen 150 m und 200 m betragen dürfte, aber bei etwas
geringeren Dichtdifferenzen auch bis zu 200 m erreichen könnte, und das bei
einer NW-SE-Schüsselweite von ganz grob
5 km.
Abb. 6. Pauschale 2,5D-Modellrechnung für das stark
tiefpass-gefilterte Profil der Abb. 5.
Abb. 7. Variierte Modellierung vom Schwereprofil 2 in Abb. 5.
Dichtedifferenzen in g/cm3.
Nimmt man außer der pauschalen glatten Schüssel-Anomalie
auch das unruhige überlagernde Schwere-Relief ins Visier, so kann eine
detailliertere Modellierung auch zu einer Anpassung zwischen Messung und
Berechnung kommen, wenn, wie in Abb. 7 vermittelt, die Schwereunruhe zwanglos
durch in die Bunte Brekzie einschalteten größere Fremdschollen aus
Malm-Kalksteinen nachgebildet wird.
3 Zusammenfassung der Schweremessungen und
ihrer Ergebnisse – impakt-relevante Interpretation
Das
zunächst überraschende Ergebnis ist die unerwartet hohe Mächtigkeit der
Auswurfmassen, die eine kilometergroße schüsselförmige Einmuldung je nach
Dichtedifferenz von bis zu 200 m füllen könnten. Von Bohrungen ist eine solche
durchbohrte Mächtigkeit nicht bekannt, die im Mittel zwischen 30 und 50 m
beträgt, gelegentlich über 100 m groß werden kann und in der Bohrung Monheim
140 m erreichte (Birzer 1969). Dass solche Mächtigkeiten aber andernorts
vorkommen können, haben seismische und geoelektrische Messungen im Vorries
gezeigt, die von damaligen Bayerischen Landesamt für Geologie durchgeführt
wurden und partiell auch auf bis zu 200 m mächtige Auswurfmassen gekommen sind
(Bader & Schmidt-Kaler 1977). Empirische Umrechnungen der dort gemessenen
seismischen Geschwindigkeiten in Dichten vom Malm und von der Bunten Brekzie
nach der sog. Gardner-Gleichung ergeben Werte, die sich für die hier gemachten
Modellierungen als vernünftig erweisen. Die Frage, die sich anschließt, lautet:
Wie ist die Hohlform entstanden? Eine sich auf derart kurzer Strecke von NW
derart plötzlich eintiefende prä-riesische Erosionsrinnen, die auch keinen echten Abfluss hat, dürfte ausscheiden. Es
bleibt die Erklärung, dass Eintiefung und anschließende Auffüllung beim
Ries-Ereignis selbst entstanden. Ein Erklärungsmodell ist das sogenannte
„ballistic erosion“ und
„secondary cratering“ (Oberbeck 1975, Morrison & Oberbeck
1978), und aus der Arbeit Hörz (1982), die die Bohrungen westlich von Bissingen
beschreibt, lässt sich (übersetzt) zitieren: „Die Ablagerungen [der Bunten Breccie] verhüllen nicht das präexistente
Relief und zeichnen es nicht nach, wie man früher geglaubt hat (Hüttner 1969).
Stattdessen haben sie das Relief erheblich modifiziert, und zwar in vertikalen
Maßstäben der Größenordnung von 50 – 100 m durch das „secondary
cratering“ und die nachfolgenden turbulenten Trümmerwogen (debris surge)„.
Um einen solchen, offenbar noch tiefer reichenden „sekundären
Krater“, der durch die ballistische Erosion der mit extremer
Geschwindigkeit von über 500 m/s landenden Trümmermassen (Hörz 1982)
ausgeschürft wurde, dürfte es sich im Fall Bissingen handeln. Die in der
Gravimetrie sichtbaren Apophysen können dann den sekundären erodierenden
„debris surges“ zugeordnet werden, insbesondere die sich nach
Südwesten öffnende Eintiefung als Reaktion auf den von Norden kommenden
„sekundären Einschlag“. Nicht völlig auszuschließen und bisher für
die Riesumgebung nicht erörtert, ist ein direkter Einschlag eines zuvor vom
Haupt-Einschlagkörper abgetrennten kleinen Projektils, das bei einem
Durchmesser der Größenordnung 100-200 m einen eigenständigen Bissinger Krater
erzeugt hat, der unmittelbar darauf von den aus dem Hauptkrater stammenden
Trümmermassen aufgefüllt wurde. Das könnte die rundliche Form vielleicht besser
erklären.
4 Die Geologische Kartierung Blatt
Bissingen
Zur
Kartierung von D. Jung muss ohne Umschweife gesagt werden, dass die Karte einen
ganz hervorragen Eindruck macht und von einer sehr gründlichen, fast peniblen
Aufnahme über das gesamte Blatt zeugt. Sie vermittelt, dass sich Jung
offensichtlich sehr gut in der Jura-Stratigraphie auskennt, was sich in der
Indizierung der unübersehbar vielen Fremdschollen aus Malmkalk dokumentiert
(Beispiel-Ausschnitt Abb. 9).
Viel
mehr ist zu dieser überzeugenden Leistung nicht zu sagen, die auch neue
Überlegungen zum Ries-Auswurfvorgang initiieren könnte, wenn der – so muss es
hier gesagt werden – unsägliche Profilschnitt unter der Karte und die in den
Erläuterungen gebrachten Ausführungen zur strukturellen Interpretation,
insbesondere seine Abb. 17, nicht wären.
Was zu bemängeln ist, soll an dem vereinfachten Profilabschnitt der Abb. 8 erläutert werden. Das Geofantasie-Dilemma von Jung beginnt im Jahr 1957, als das Ries noch ein Vulkan war. Damals hat Schalk (1957) im Steinbruch südsüdöstlich von Burgmagerbein (siehe Abb. 9) die Grenze „Weißjura Gamma/Delta)“ bei ca. 430 m NHN ermittelt, was Jung dann in eine Tiefe der Malm/Dogger Grenze bei diesem Steinbruch zu 300 m NHN umrechnet, derselbe Wert, den Jung auch für die Bohrung Forheim, immerhin ca. 12 km entfernt, nach Schmidt-Kaler (1994) zitiert.
Dass in einem Areal, das nur ein paar 100 m entfernt übersät ist mit gleichgroßen und gleichartig unregelmäßig geformten allochthonen Fremdschollen (Abb. 9), plötzlich ein rundum durch Verwerfungen gegen den autochthonen Malm abgegrenzter kleiner Malmblock um 140 m am Autochthon und auf der Ries-abgewandten Seite fahrstuhlartig hochgeschrammt sein soll, dürfte aus der geologischen Märchenstunde kommen. Die einfachste Lösung: Auch der stratigraphisch-datierte isolierte Block ist nicht mit dem Fahrstuhl 140 m nach oben gekommen sondern mit den Ries-Ejekta wie alle anderen direkt benachbarten Fremdschollen aus dem Krater selbst geschleudert worden.
Auch
wenn wir das der Freiheit der geologischen Kartier-Interpretation von Jung
durchgehen lassen, beginnt damit erst recht eine Geofantasie. Aus diesem
einzigen (!) kleinen Befund aus dem Jahr 1957 konstruiert Jung ein
Riesereignis-Strukturgebäude, das in vereinfachter Form in Abb. 10
nachgezeichnet wurde. Zwar mit Fragezeichen versehen, entsteht aus einer
einzigen fragwürdigen Punkt-Interpretation ein strukturelles System aus Gräben
und Horsten, die unter einer Überdeckung aus bis zu mehr als 100 m Bunter
Brekzie (Abb. 10, Abb. 8) noch nie jemand verifiziert hat. Verblüffend auch die
in Abb. 8, 10 eingezeichnete Horststruktur, die nach der erbohrten Dogger/Malm
Grenze 9 m abgesenkt (!) gegen die angrenzende Grabenstruktur (Bohrdaten Abb.
10) liegen soll.
Vermutete
tektonische Strukturen (Verwerfungen) gehören gemeinhin in das Inventar
geologischer Karten, wenn es begründete Geländebefunde in Verlängerung
kartierter Störungen oder lokal geringmächtig überdeckte, sonst aber
nachgewiesene stratigraphische Versätze gibt. Aber hier, bei Bissingen, gibt es
solche Befunde nicht, und auch die gestrichelt in Abb. 8 und 10 eingetragenen
Gräben und Horst besitzen nicht den Hauch einer Ahnung solcher Störungen.
Abb. 8. Abgeänderter und vereinfachter Profil-Abschnitt aus der geologischen Karte Blatt Bissingen.
In
den Erläuterungen zur geologischen Karte rechtfertigt Jung diese Konstruktion
mit dem Verweis auf 1912 (!) durchgeführte sprengtechnische Experimente in
Ostsee-Sanddünen zum seinerzeit vulkanischen (!) Krater durch Kranz (1912) mit
entstandenen Blockzerlegungen, mit theoretisch-statistischen mathematischen
Modellen aus den Jahren 1964 und 1965 einzig zu Geländehöhen (Johnson et al.
1964, Johnson 1965) und mit Forderungen von Preuss (1969) nach der Existenz von
„radialen Zerreißungen und konzentrischen Sprüngen“ gemäß eines
Vergleichs mit Mondkratern. Auch eine von Hüttner (1977) vermutete Heraushebung
des südlichen Kraterrandes, ähnlich einer solchen Kraterand-Hebung beim
Haughton-Krater in Kanada und einem „rim uplift“ bei Mond und
Marskratern, rechtfertigt nicht in Ansätzen die von Jung gezeichneten
Horst-Graben-Struktur, von der Jung selbst behauptet, dass sie Teil eines
Störungssystems ist, das den gesamten Rieskrater umgibt aber nirgends
identifiziert werden kann.
Abb. 9. Abgeänderter und vereinfachter Ausschnitt aus der
Geologischen Karte 1 : 25 000 Blatt Bissingen.
Abb. 10. Stark vereinfachte Nachzeichnung der Abb. 17 in den
Erläuterungen von Jung.
Die
Frage stellt sich, warum Jung dieses nie gesehene und allenfalls aus
Analogieschlüssen dorthin konstruierte Graben-Horst-System platziert (Abb. 8),
das in der Karte selbst ja auch überhaupt nicht in Erscheinung tritt.
Der
Lösung des Rätsels kommt man vielleicht näher im Kapitel 10 Geophysik der
Erläuterungen, wenn auf S. 89 geoelektrische Profile im Kesseltal zwischen
Bissingen und dem 2 km entfernten Göllingen erwähnt werden und Zahlen zu den
spezifischen Widerstanden der gemessenen Lithologien genannt werden, wobei
Werte über 1000 Ohm*m auf autochthone Malm-Massenkalke zurückgeführt werden.
Wenn man jetzt erwarten würde, dass Ergebnisse der Geoelektrik zu den
Lagerungen der geologischen Einheiten, vielleicht mit einigen Profilschnitten,
gebracht werden, wird man enttäuscht. Stattdessen rätselhaft wiederum die
Anmerkungen von Jung zum „auffällig abrupten Aussetzen der
Weißjura-Oberfläche an mehreren Stellen“; und: „Hier scheint die
Bunte Breccie bis in größere Tiefen zu reichen. Es handelt sich um Strukturen,
die auf das bereits erwähnte konzentrische Störungssystem im Vorries
zurückzuführen sind. Dadurch erfolgte eine Blockzerlegung des Weißjura, wobei
einzelnen Weißjura-Aufragungen durch Grabenstrukturen
(„Horst-Graben-Strukturen“) voneinander getrennt sind. Die Gräben sind mit
Bunter Breccie verfüllt.“
Was
für Jung auffällig abrupt ist, (offenbar nach der Geoelektrik, deren Ergebnisse
man nicht sieht), sollte die Kante eine der vielen Weißjura-Fremdschollen in
der Bunten Brekzie sein, die dort nach der Gravimetrie noch ziemlich mächtig
sein dürfte. Und wie soll das „Hier“ interpretiert werden, wenn nicht
am Ort des abrupt aussetzenden Malm? Und woraus ist dann zu schließen, dass
hier an der Grenze die Trümmermassen bis in größere Tiefen reichen. Wenn das
aus der Geoelektrik kommt, sollte genau das hier zu lesen sein, was nicht der
Fall ist. Der Aufwand für eine Geoelektrik, um in diesen Tiefenbereich zu
kommen, wäre auch ganz enorm.
Also
ist das Spekulation, möglicherweise mit Methode, was uns zur Abb. 8 mit dem
Profilabschnitt der geologischen Karte führt. Dort wächst bei Bissingen die
Mächtigkeit der Trümmermassen muldenförmig auf weit über 100 m an, wofür Jung
aber keinen Beleg anführt. Eigenartigerweise ist hier aber nach der Gravimetrie
auch eine große Einmuldung mit einer mächtigen Füllung aus Bunten Trümmermassen
(siehe oben). Diese Gravimetrie, die und deren Ergebnisse Jung kennt, werden
hier aber verschwiegen, und in einem Umkehrschluss konstruiert Jung seine
völlig unbewiesene Mulde, um indirekt sein Horst-Graben-System, das ebenfalls
völlig unbewiesen ist, zu konstruieren.
Hier
soll ergänzt werden, dass am Anfang zum Kapitel 3.2.3 Ries-Auswurfmassen der
Erläuterungen von Jung der Untertitel erscheint „Mächtigkeit: bis über 200
m“. Wo auf seinem Blatt Bissingen diese genannte Mächtigkeit angetroffen
wurde, sucht der Leser vergebens. Kurioserweise ist das eine Zahl, die gut zur
Gravimetrie bei Bissingen passen würde, die Jung verschweigt.
5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen
Aus einem zufälligen Zusammentreffen einer
Gravimetrie-Kampagne in der südlichen Zone der Ries-Impakt-Ejekta auf dem
geologischen Kartenblatt Bissingen mit den Kartierarbeiten des Bayerischen
Landesamtes für Umwelt (LfU) auf genau diesem Kartenblatt, das mittlerweile im
Druck erschienen ist, ergibt sich eine Konstellation mit zwei ganz
unterschiedlichen Aspekten. Für die Riesforschung sind sie nicht ganz
unerheblich.
Die Messungen der Gravimetrie im Raum Bissingen ergeben,
nicht unbedingt erwartet, eine relativ isolierte, muldenartige
Untergrundstruktur im autochthonen Weißjura, die mit Bunten Trümmermassen bis
zu 200 m Mächtigkeit gefüllt sein kann (abhängig von den gewählten
Dichteunterschieden). Das ist eine ganz erhebliche Mächtigkeit, die schwerlich
mit einer beim Impakt aufgefüllten präriesischen Erosionsstruktur erklärt
werden kann. Hier angeführte Deutungsmöglichkeiten betrachten das Modell des
sogenannten „secondary cratering“ als das Ergebnis eines gewaltigen
Ausschürfens des Autochthons der mit extremer Energie landenden Ejekta. Als
zweite Möglichkeit wird auch ein „primary cratering“ erwogen, womit
gemeint ist, dass neben dem Haupteinschlag des Ries-Kraters bei der Annäherung
vom Projektil eine vorher abgetrennte kleinere Masse des Impaktors einen
eigenständigen kleineren Krater erzeugt hat, der dann mit den
Hauptauswurfmassen gefüllt wurde.
Diese für die Ries-Forschung nicht uninteressanten Resultate
werden vom LfU verschwiegen, obgleich dem kartierenden Geologen D. Jung die
Gravimetrie-Messungen und deren Resultate mit der großen Muldenstruktur auf
„seinem“ Kartenblatt sehr wohl
bekannt waren und mit dem Verf. diskutiert wurden.
Was das LfU hier praktiziert, ist fern jeglicher wissenschaftlichen Seriosität, was umso betrüblicher ist, als die Kartierung von D. Jung als ganz hervorragend charakterisiert werden muss, und es wäre klug gewesen, hätte er in den Erläuterungen zur Karte keine geologischen und impaktbezogenen Fantasie-Gebäude ohne wissenschaftliche Substanz errichtet. Und an die Adresse des LfU: Wenn in einer offiziellen Publikation des Amtes über 100 Jahre alte Experimente in Ostsee-Dünensanden zur vulkanischen Ries-Entstehung als Modell für den Ries-Impakt herangezogen werden, kann das nur als peinlich bezeichnet werden.