Ries-Krater: Spallation, mesoskopische Deformationen und Shatter Cones

 Geschockte Ries-Belemniten

Die sogenannten Ries-Belemniten kennt man, seit Geologen im Ries-Gebiet arbeiten. Eingebettet in jurassische Mergel- und Tonsteine wurden die auffällig zerteilten Rostren eindeutig mit einer plötzlich einsetzenden heftigen Deformation in Verbindung gebracht., die zu Zeiten der vulkanischen Hypothese der Ries-Entstehung der gigantischen Diatrem-Explosion zugeschrieben wurde und später dann als das Resultat einer Impakt-Schockdeformation angesehen wurden. Demgemäß werden die zerbrochenen Belemniten häufig als „geschockte Belemniten“ bezeichnet, obwohl bisher nicht eine einzige Erklärung vorliegt, wie denn diese eigentümliche Zerteilung überhaupt bruchmechanisch erfolgte.

In seiner umfangreichen und ausgezeichneten Arbeit über die Bunten Trümmermassen und die Bunte Brekzie im Ries hat sich Rudolf Hüttner (1969: Bunte Trümmermassen und Suevit. – Geologic Bavarica, 61, 142-200) auch mit den Ries-Belemniten (und verwandten Deformationen anderer Fossilien und karbonatischer Konkretionen) beschäftigt und natürlich die plötzliche Hochgeschwindigkeitsreaktion hervorgehoben, die eine plastische Verformung in den weichen Mergel- und Tonsteinen ausschließt. Hüttner hat vermutet, dass die zerteilten Rostren und Geoden als Beweis für eine kataklastische Deformation auch der einbettenden weichen Gesteine anzusehen seien, in denen sich dieses Gefüge im Unterschied zu den starren Belemniten nur nicht erhalten hat.

Eine kataklastische Schockdeformation der Ton- und Mergelsteine mag teilweise tatsächlich erfolgt sein; wir schlagen jedoch als Alternative einer einfachen Kataklase einen völlig anderen Prozess für die Zerteilung der Rostren und Geoden vor. Wir stützen uns dabei auf gründliche Beobachtungen und Vergleiche mit ähnlichen Deformationen bei anderen Impakten.

Wir zeigen hier einige typisch verformte Rostren und Geoden und vergleichbare Deformationen aus den spanischen großen Impaktstrukturen von Azuara und Rubielos de la Cérida, und wir verweisen auf einen weit ausführlicheren Artikel, den wir für unsere Webseiten planen.

Abb. 1. Sogenannte Ries-Belemniten aus den Ejekta der Bunten Brekzie, Steinberuch Ronheim. Bildbreite 4,5 cm. Man beachte, dass die Brüche und Verschiebungen keineswegs immer den radial strukturierten Rostren folgen; schiefwinklige Brüche sind verbreitet.

Abb. 2. Ein deformiertes Belemniten-Rostrum – wie ein in Scheiben geschnittener Brotlaib. Man beachte die ähnliche Dicke der Scheiben, was vielfach bei den zerteilten Rostren zu beobachten ist.

Abb. 3. Ein bizarr verformter Ries-Belemnit.

Abb. 4. Wenig zerscherte Ries-Belemniten, die aber die oben erwähnte Zerteilung in „Brotscheiben“ mehr oder wenig gleicher Dicke aufweisen. Diese Beobachtung stellt die von Hüttner (1969) vermutete kataklastische Deformation sowohl der Belemniten/Geoden als auch des einbettenden Sediments in Frage.

Abb. 5. Oft bei den Ries-Belemniten zu beobachten: offene Brüche mit zugehöriger Verlängerung der Rostren, was auf Zugbrüche hinweist. Der gezeigte Belemnit liegt unverändert in der originalen Einbettung in einem Jura-Tonstein.

Abb. 6. Ebenfalls in originaler Einbettungslage in einem Tonstein: ein heftigst zerteiltes Belemniten-Rostrum. Offene Brüche sprechen für Zugbrüche und gegen kataklastische Deformation. Probe von P. Bockstaller.

 

Ähnlich den zerteilten Ries-Belemniten: deformierte karbonatische Konkretionen, Geoden

Ganz ähnliche Deformationen werden häufig an Konkretionen und Geoden beobachtet, die im Ries in jurassische Tonsteine und Mergelsteine der Auswurfmassen eingebettet sind. Anders als bei den zerteilten Belemniten sind die Brüche allenfalls subparallel, selten gleichabständig, und sie konzentrieren sich häufig in bestimmten Abschnitten, oft in der Mitte, der Steine. Eine vollständige Durchtrennung der Geoden ist selten, während weit offene Risse als Beleg für Zugbrüche häufig auftreten. Auch diese Beobachtungen sprechen gegen eine gemeinsame kataklastische Deformation von starren Klasten und weicher Matrix.

Abb. 7. Kalkstein-Geoden aus weichen Tonsteinen der Bunten Brekzie zeigen ähnliche Deformationen wie die Ries-Belemniten. Jedoch ist eine Zerlegung in Scheiben weit weniger ausgeprägt, die Brüche sind allenfalls subparallel, und die Klasten bleiben kohärent. – Proben aus der Ablagerung der Bunten Brekzie bei Holheim am Kraterrand, die dort weitgehend aus Lias- und Dogger-Tonsteinen zusammengesetzt ist.

Abb. 8. Wahrscheinlich der Schlüssel zum Verständnis des Deformationsprozesses: Impakt-Schockspallation. Vergleich einer deformierten Geode aus dem Ries-Krater mit einem deformierten Quarzit-Geröll von den spanischen Azuara/Rubielos de la Cérida-Impaktstrukturen: Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Das deformierte Quarzit-Geröll (weitere in den nachfolgenden Bildern) ist ein typisches Beispiel für Schock-Spallation, die zu starkem dynamischen Zerbrechen durch Zug führen kann. Dieser Impaktprozess ist ausführlich beschrieben worden, was man HIER nachlesen kann.

Abb.9. Praktisch identische Zerlegung von Klasten aus dem Ries-Krater und den spanischen Impaktstrukturen von Azuara und Rubielos de la Cérida – Hinweis auf denselben Bildungsprozess: Impakt-Schockspallation.

Abb. 10. Ähnlicher den zu Scheiben zerlegten Ries-Belemniten: treppenartige Zerbrechung einer Ries-Geode und eines Quarzit-Gerölls aus den Impaktstrukturen von Azuara und Rubielos de la Cérida, Spanien.

 

Ähnlich oder verschieden? Brotscheiben-Deformation eines größeren Kalkstein-Blocks und Vergleich mit Deformationen von Klasten  aus dem Rubielos de la Cérida-Impaktbecken, Spanien

Abb 11. Megaskopisches Analogon der Ries-Belemniten? Dieser Block aus Malm-Kalkstein mit augenfälligen engabständigen, subparallelen Verschiebungen stammt aus der Bunten Brekzie im Steinbruch Ronheim, wo er in weichen Tonsteinen eingebettet war. Wie die Belemniten erzählt uns leider auch der Block nicht, wann er diese merkwürdige Deformation erhalten hat, die ganz offensichtlich keinen präriesischen tektonischen Ursprung hat. Falls eine Art Spallation die Ursache für diese Brotscheiben-Deformation war, musste der Block dem Schock in einer Weise ausgesetzt gewesen sein, dass ein Impedanz-Kontrast zwischen dem harten Kalkstein und einem weicheren Einbettungsmaterial (oder der Luft) gegeben war.

Genau denselben Typ von Deformation kann man in den Ejekta der großen Azuara/Rubielos de la Cérida-Doppelstruktur in Spanien beobachten. Dort zeigen Kalkstein-Komponenten ebenfalls subparallele Brüche mit Verschiebungen, ohne daß die Komponenten in Stücke zerbrochen sind (Abb. 12).

Abb. 12. Eins der typisch deformierten Kalkstein-Klasten aus den Ejekta-Ablagerungen am Puerto Mínguez, Rubielos de la Cérida-Impaktbecken, Spanien. Auch in Spanien sind diese Komponenten in ein weiches Ejekta-Material eingebettet. Diese von uns „Brotscheiben-Strukturen“ genannten Deformationen werden ausführlicher auf https://www.impaktstrukturen.de/spain/impakt-ejekta-puerto-minguez/mesoskopische-deformationen/ beschrieben.

 

Weitere Hochdruck-/Kurzzeit-Deformationen im Ries-Krater

Abb. 13. Kalkkonkretion aus der Bunten Brekzie mit eigenartigen rotierten (?Spallations-) Brüchen. Man beachte insbesondere, dass das Gestein vollständig den Zusammenhalt bewahrt hat. Mehr zu solchen impakterzeugten rotierten Brüchen findet man unter https://www.impaktstrukturen.de/spain/impakt-ejekta-puerto-minguez/mesoskopische-deformationen/ und im Artikel Ernstson, K. & Claudin, F.: Pelarda Formation (Eastern Iberian Chains, NE Spain): Ejecta of the Azuara impact structure. – N.Jb.Geol.Paläont.Mh., 1990, 581-599, 1990.

Abb. 14. Weitere Ähnlichkeit zwischen dem Nördlinger Ries und den spanischen Impaktstrukturen. Heftigst zerdrückte, dennoch kohärente Kalkstein- und Quarzit-Klasten: Hochdruck-/Kurzzeit-Deformation.

 

„Pooks“ pebbles“ – auch im Ries-Krater

Abb. 15. „Pook’s pebble“ aus den Bunte Breccie-Ejekta des Ries-Kraters (Steinbruch Gundelsheim). „Pook’s pebbles“ definieren eine Schicht in den in Belize anstehenden Auswurfmassen der Chicxulub-Impaktstruktur. Gerölle in dieser Schicht zeigen markante Eindrückstrukturen, Striemungen und Politur (siehe z.B. den Artikel von Ocampo et al: http://www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc97/pdf/1861.PDF). Die hier gezeigte Kalksteinkomponente aus den Ries-Ejekta weist ebenfalls eine ausgeprägte Eindrückstruktur auf, die durch plastische Deformation entstanden ist. Mit einer Lupe kann man zusätzlich Striemung und Politur beobachten

Derselbe Deformationstyp ist häufig in den Ejekta (Pelarda-Formation, Puerto Mínguez-Ejekta) der Azuara/Rubielos de la Cérida-Doppelstruktur in Spanien anzutreffen (siehe dazu https://www.impaktstrukturen.de/spain/impakt-ejekta-puerto-minguez/mesoskopische-deformationen/ ).

Abb. 16. Gutgerundete, gestriemte Komponente aus Malm-Kalkstein (keine Konkretion!), eingebettet in Lias-Tonsteinen der Bunte Breccie-Ejekta (Ries-Krater; Steinbruch Ronheim). Gut- bis kantengerundete Komponenten sind ein wohlbekanntes Merkmal in Impaktbreccien. In der spanischen Azuara/Rubielos de la Cérida-Doppelstruktur kann man eine Impakt-Konglomeratisierung (unsere Bezeichnung) beobachten, die durch eine in situ Bildung von gutgerundeten Geröllen innerhalb massiver Kalksteinkomplexe charakterisiert ist. Wir meinen, dass gut gerundete Kalkstein-Komponenten in der Bunten Brekzie eine ähnlich in situ Konglomeratisierung beim Impakt erfahren haben. Darüber hinaus halten wir es für möglich, dass auch die wohlbekannten gestriemten Buchberg-Gerölle, die man in der Bunten Breccie findet, diesen Ursprung haben – abweichend von der gegenwärtigen Deutung als Komponenten prä-riesischer Konglomerate.

Shatter Cones

Abb. 17. Shattercones in Hornblendeflecken-Kersantit (kleiner aufgelassener Steinbruch bei Wengenhausen). Mehr über die Bildung von Shattercones, weitere Shattercones aus dem Ries und anderen Impaktstrukturen findet man auf   https://www.impaktstrukturen.de/impaktgesteine-impaktite/shattercone-seite/ .