Der Chiemgau-Impakt und Afrika

Der Chiemgau-Impakt und Afrika (The Chiemgau impact and Africa)

von Kord Ernstson (April 2014)

Zusammenfassung

1  Wolf Uwe Reimold und Christian Koeberl benutzen einen Artikel über Impaktstrukturen in Afrika (!), um einmal mehr gegen den Chiemgau-Impakt, der mittlerweile als eine Realität mit nachgewiesenen Schockeffekten (PDFs, diaplektische Gläser, Shatter Cones) sowie spektakulären Befunden zur Geologie, Mineralogie und Kosmochemie anzusehen ist, zu Felde zu ziehen. Solche „Feldzüge“ sind bei einigen führenden Impaktforschern innerhalb der sog. impact community (was auch immer das sein soll) gang und gäbe, insbesondere dann, wenn es um neuartige Erkenntnisse zum Impakt geht und sie nicht in die Forschung einbezogen wurden. Das betrifft nicht nur den Chiemgau-Impakt.

2  Die Autoren Reimold und Koeberl zitieren aus der Literatur einen einzig existierenden Artikel von Dieter Heinlein aus dem Jahr 2009, auf den sie sich als Beleg für fehlende Impaktbefunde beziehen. Eigene Untersuchungsergebnisse legen sie nicht vor. Der Autor Dieter Heinlein des betreffenden Artikels, der in deutscher Sprache und in einer kaum zugänglichen deutsche Zeitschrift für Hobby-Astronomen und Sternfreunde erschienen ist, hat kein wissenschaftliches Studium absolviert und niemals über irgendein Impakt-Thema wissenschaftlich gearbeitet, ebenso nicht über Eiszeitgeologie. Diesen Autor und seinen ausnehmend dürftigen Beitrag als einziges Gegenargument zur Existenz des Chiemgau-Impaktes zu bemühen, kann nur als peinlich bezeichnet werden.

3  Während das Zitieren der Heinlein-Arbeit als peinlich charakterisiert werden muss, ist – mit einer Ausnahme – die komplette Unterschlagung der von den Chiemgau-Impaktforschern in Zusammenarbeit mit renommierten Forschern aus dem In-und Ausland publizierten 16 (!) hier genannten Beiträge z.B. auf klassischen internationalen Tagungen wie der Lunar & Planetary Science Conference (LPSC), der Tagung der Meteoritical Society oder der Tagung der American Geophysical Union (AGU) ein wissenschaftlich absolut inakzeptabler Vorgang, der ein bezeichnendes Licht auf das Wissenschaftsverständnis von Reimold und Koeberl wirft.

4  Um offenbar den erneuten Angriff auf die Chiemgau-Impaktforschung zu rechtfertigen, verlangen Reimold und Koeberl, dass bei der Diskussion möglicher neuer Impaktkrater auch auf das regionalgeologische Umfeld zu achten ist, wobei sie eine eiszeitliche Überprägung speziell hervorheben, um damit das Chiemgau-Impaktstreufeld bei eiszeitlich produzierten „Löchern“ anzusiedeln. Reimold und Koeberl merken dabei gar nicht, dass sie auf diese Weise ihr eigenes, stets formuliertes Postulat – Schock als Vorbedingung für Impakt-Akzeptanz – in Frage stellen und all den Regionalgeologen das Wort reden, die Impaktstrukturen ablehnen, weil diese mit den regionalgeologischen Gegebenheiten nicht verträglich seien.

Abstract

1  Wolf Uwe Reimold and Christian Koeberl are using an article on impact structures in Africa which they have published in the „Journal of African Earth Sciences“ to yet again crusade against the Chiemgau impact meanwhile established as a reality and based on evidenced shock effects (PDFs, diaplectic glasses, shatter cones) and spectacular findings of geological, mineralogical and cosmochemical features. Such campaigns are common practice with a few leading impact researchers of the so-called impact community (whatever this might be) in particular once innovative findings are concerned and once they themselves have not been involved in the respective research. This does not affect solely the Chiemgau impact.

2  The authors Reimold and Koeberl refer to the literature mentioning no more than a sole article (Heinlein 2009) that they use as supporting document for allegedly lacking evidence of the Chiemgau impact. Results of own research are not presented and do not exist. Dieter Heinlein, author of the respective article written in German language and printed in a hardly accessible German magazine for hobby astronomers and friends of stars has not finished any scientific degree and has never worked on any impact subject, as well as on glacial geology either. To call upon this author and his exceptionally poor contribution as sole argument opposed to the Chiemgau impact can be termed embarrassing only.

3  While the reference to the Heinlein article must be characterized as simply embarrassing, the complete concealment – bar one – of the 16 (!) Chiemgau research papers contributed to international meetings and in international journals, and listed below is a procedure scientifically absolutely unacceptable shedding some light on the view of science of Reimold and Koeberl. Many of these Chiemgau papers have been written in cooperation with reputable researchers from home and abroad and presented at classic international meetings like the Lunar & Planetary Science Conference (LPSC), the Meteoritical Society meeting or the meeting of the American Geophysical Union (AGU).

4  In order to justify their renewed attack against the Chiemgau impact research Reimold and Koeberl claim that when discussing possible new impact craters also the regional-geologic setting has to be taken into consideration. At that they in particular accentuate a glacial overprint obviously aiming at the Chiemgau impact strewn field that in their opinion is a cluster of glacially produced „holes“. In doing so they do not at all realize that they are questioning their own and always propagated postulate – shock as prerequisite for acceptance of impact – and putting the case for all those regional geologists who deny the existence of impact structures because these are incompatible with the regional-geologic setting.

Artikel

Unlängst haben Wolf Uwe Reimold (Berlin) und Christian Koeberl (Wien), beide in der Impakt-Szene nicht unbekannt, eine Arbeit mit dem Titel

Impact structures in Africa: A review

in der Zeitschrift „Journal of African Earth Sciences“ veröffentlicht (Reimold & Koeberl 2014). Bemerkenswerterweise wird in diesem Artikel über afrikanische Impaktstrukturen auch auf den Chiemgau-Impakt eingegangen, und zwar mit dem folgenden Text:

„Crater-like structures can be produced by many other processes, such as sinkhole formation, volcanic processes (maars, collapsed calderas, volcanic vents including kimberlite pipes), tectonic movements, landslides, karstification, or glacial processes. It is obviously necessary to consider the respective geological situation in its entirety – e.g., whether a crater-like structure occurs in carbonate terrains, in tectonic belts, or regions of volcanic activity in the past or present, or could be the result of glacial overprint (as thought to be the case for the many crater-like ‘‘holes’’ in the Chiemgau region of southern Germany that have been punted by K. Ernstson (Würzburg) and colleagues as a meteorite impact crater strewn field – without ever providing unambiguous evidence for impact! The critical reader may find these allegations in Ernstson et al. (2010); a critical assessment of this alleged Chiemgau impact had been published already before by Heinlein (2009), but notably remained ignored by the proponents of this alleged impact event).“

[übersetzt: „Kraterähnliche Strukturen können durch viele andere Prozesse wie Erdfall-Bildungen, vulkanische Prozesse (Maare, kollabierte Calderen, Vulkanschlote einschließlich Kimberlit-Pipes), tektonische Bewegungen, Verkarstung oder glaziale Prozesse erzeugt werden. Es ist offensichtlich notwendig, die geologische Situation in ihrer Gesamtheit zu betrachten, z.B. ob kraterähnliche Strukturen in Karbonatgebieten auftreten, in tektonischen Gürteln oder in Regionen mit früherer und jetziger vulkanischer Aktivität, oder ob sie das Resultat eiszeitlicher Überprägung sind (so wie geglaubt wird, dass das der Fall ist für die vielen kraterähnlichen „Löcher“ in der Chiemgau-Region in Süddeutschland, für die K. Ernstson (Würzburg) und Kollegen ein Meteoritenkrater-Streufeld postulieren – ohne je eindeutige Belege für einen Impakt geliefert zu haben! Der kritische Leser kann diese Behauptungen in Ernstson et al. (2010) finden; eine kritische Begutachtung dieses angeblichen Chiemgau-Impaktes ist bereits früher von Heinlein (2009) veröffentlicht worden, was bemerkenswerterweise von den Vertretern dieses angeblichen Impaktes ignoriert wird).“

Als Kronzeugen für die seit langem bekannte strikte Ablehnung des Chiemgau-Impaktes aus Berlin und Wien benennen Reimold und Koeberl also allein und ausgerechnet Dieter Heinlein mit dessen Artikel von 2009, betitelt: Der so genannte ‘‘Kelten-Killer-Komet’’ – Gab es einen Kometeneinschlag im Chiemgau? Journal für Astronomie, III/2009, Nr. 30, Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V., S. 84-86.

Dazu muss man wissen, dass diese Zeitschrift in deutscher Sprache ein Magazin ist, das (Zitat der Internetseite:) …“von Hobby-Astronomen für Sternfreunde geschrieben“ ist und an die Mitglieder der Vereinigung der Sternfreunde e.V. versandt wird. Derartige Zeitschriften gelten in der Wissenschaft als nicht zitierfähig.

Man muss vor allem wissen, dass Dieter Heinlein sich außer als Hobby-Astronom auch als Meteoritenhändler betätigt und noch niemals wissenschaftlich über Impakte, Impaktstrukturen, Impaktprozesse oder deren geowissenschaftliche Aspekte gearbeitet hat. Dasselbe gilt für jegliche wissenschaftliche Beschäftigung mit der Eiszeit, die ja laut Wolf Uwe Reimold und Christian Koeberl die „Löcher“ im Chiemgau produziert haben soll.

Das „critical assessment“ (die kritische Begutachtung) des Dieter Heinlein auf knapp drei Seiten beschränkt sich auf die Wiedergabe von Hörensagen und das Zusammenkramen von früheren, längst widerlegten Einwänden anderer Autoren, darunter gerade auch Wolf Uwe Reimold, und hat nichts anderes zum Ziel, als seriöse wissenschaftliche Forschung zu diskreditieren. Eine Entgegnung auf den Heinlein-Artikel hat Rappenglück (2009) geschrieben.

Dass aber Reimold und Koeberl die unqualifizierten Ausführungen von Dieter Heinlein peinlicherweise als einzige Referenz zitieren, die zahlreichen wissenschaftlichen Beiträge zum Chiemgau-Impakt auf renommierten internationalen Tagungen und in internationalen Zeitschriften aber komplett unterschlagen, ist alles andere als guter wissenschaftlicher Stil – um es sehr milde auszudrücken.

Wir nennen die folgenden Beiträge der Forschergruppe des Chiemgau-Impaktes der letzten Jahre zum Chiemgau-Impakt, deren Abstracts oder komplette Artikel angeklickt werden können. Die Beiträge wurden u.a. auf der Lunar & Planetary Science Conference (LPSC), auf der Tagung der Meteoritical Society und der Tagung der American Geophysical Union (AGU) präsentiert. Der Großteil dieser Publikationen wird vom ADS verwaltet. Das SAO/NASA Astrophysics Data System (ADS) ist die digitale Bücherei für Physik und Astronomie, die vom Harvard-Smithonian-Zentrum für Astrophysik getragen und von der NASA gefördert wird. Jeder (!) mit einschlägiger Forschung, auch der Impaktforschung, befasste Wissenschaftler kennt und nutzt dieses Datensystem. Und Wolf Uwe Reimold und Christian Koeberl?

Beiträge zum Chiemgau-Impakt im SAO/NASA Astrophysics Data System (ADS) zum Anklicken

1          Ernstson, Hilt, Neumair: Microtektite-Like Glasses from the Northern Calcareous Alps (Southeast Germany): Evidence of a Proximal Impact Ejecta Origin. http://adsabs.harvard.edu/abs/2014LPI….45.1200E

2          Ernstson, Müller, Neumair: The Proposed Nalbach (Saarland, Germany) Impact Site: Is it a Companion to the Chiemgau (Southeast Bavaria, Germany) Impact Strewn Field? http://adsabs.harvard.edu/abs/2013M%26PSA..76.5058E

3          Neumair, Ernstson: Peculiar Holocene Soil Layers: Evidence of Possible Distal Ejecta Deposits in the Chiemgau Region, Southeast Germany http://adsabs.harvard.edu/abs/2013M%26PSA..76.5057N

4          Bauer, Hiltl, Rappenglück, Neumair, Ernstson: Fe_2Si (Hapkeite) from the Subsoil in the Alpine Foreland (Southeast Germany): Is it Associated with an Impact? http://adsabs.harvard.edu/abs/2013M%26PSA..76.5056B

5          Rappenglück, Bauer, Hiltl, Neumair, Ernstson: Calcium-Aluminium-Rich Inclusions in Iron Silicide (Xifengite, Gupeiite, Hapkeite) Matter: Evidence of a Cosmic Origin.   http://adsabs.harvard.edu/abs/2013M%26PSA..76.5055R

6          Shumilova, Isaenko, Makeev, Ernstson, Neumair, Rappenglück: Enigmatic Poorly Structured Carbon Substances from the Alpine Foreland, Southeast Germany: Evidence of a Cosmic Relation  http://adsabs.harvard.edu/abs/2012LPI….43.1430S

7          Ernstson, Sideris, Liritzis, Neumair: The Chiemgau Meteorite Impact Signature of the Stootham Archaeological Site (SE Germany) http://adsabs.harvard.edu/abs/2012MAA….12..249E

8          Ernstson, Mayer, Neumair, Sudhaus: The sinkhole enigma in the Alpine Foreland, Southeast Germany: Evidence of impact-induced rock liquefaction processes http://adsabs.harvard.edu/abs/2011CEJG….3..385E

9          Ernstson, Neumair: Geoelectric Complex Resistivity Measurements of Soil Liquefaction Features in Quaternary Sediments of the Alpine Foreland, Germany http://adsabs.harvard.edu/abs/2011AGUFMNS23A1555E

10        Neumair, Ernstson: Geomagnetic and morphological signature of small crateriform structures in the Alpine Foreland, Southeast Germany http://adsabs.harvard.edu/abs/2011AGUFMGP11A1023N

11        Hiltl, Bauer, Ernstson, Mayer, Neumair, Rappenglück: SEM and TEM Analyses of Minerals Xifengite, Gupeiite, Fe2Si (Hapkeite?), Titanium Carbide (TiC) and Cubic Moissanite (SiC) from the Subsoil in the Alpine Foreland: Are they Cosmochemical?http://adsabs.harvard.edu/abs/2011LPI….42.1391H

12        Liritzis, Zacharias, Polymeris, Kitis, Ernstson, Sudhaus, Neumair, Mayer, Rappenglück, M.A., Rappenglück, B.: The Chiemgau Meteorite Impact And Tsunami Event (Southeast Germany): First Osl Dating http://adsabs.harvard.edu/abs/2010MAA….10…17L 

13        Rappenglück, B., Ernstson, Mayer, Neumair, Rappenglück, M.A., Sudhaus, Zeller: The Chiemgau Impact: An Extraordinary Case Study for the Question of Holocene Meteorite Impacts and their Cultural Implications http://adsabs.harvard.edu/abs/2009ASPC..409..338R

Beiträge, die nicht im ADS registriert sind:

14        Ernstson, Shumilova, Isaenko, Neumair, Rappenglück: From biomass to glassy carbon and carbynes: evidence of possible meteorite impact shock coalification and carbonization. Modern problems of theoretical, experimental and applied mineralogy (Yushkin Memorial Seminar–2013): Proceedings of mineralogical seminar with international participation. Syktyvkar: IG Komi SC UB RAS, 2013. 546 p. http://www.chiemgau-impakt.de/wp-content/uploads/2013/05/HIER.pdf

15        Isaenko, Shumilova, Ernstson, Shevchuk, Neumair, Rappenglück: Carbynes and DLC in naturally occurring carbon matter from the Alpine Foreland, South-East Germany: Evidence of a probable new impactite. First European Mineralogical Conference 2-6 September 2012 – Frankfurt, Germany

http://www.chiemgau-impact.com/wp-content/uploads/2012/09/EMC2012-2171.pdf http://www.chiemgau-impact.com/wp-content/uploads/2012/09/EMC-PDF.pdf

16        Ernstson, Mayer, Neumair, Rappenglück, B., Rappenglück, M.A., Sudhaus, Zeller: The Chiemgau crater strewn field: evidence of a Holocene large impact in southeast Bavaria, Germany. – Journal of Siberian Federal University, Engineering & Technology, 1 (2010 3) 72-103. http://elib.sfu-kras.ru/bitstream/2311/1631/1/04_.pdf

Aus der Auflistung der Beiträge mit den beteiligten Autoren erfährt der Leser zudem über die Zusammenarbeit der Chiemgau-Forscher mit renommierten Wissenschaftlern und Institutionen aus dem In- und Ausland.

Dass es Wolf Uwe Reimold und Christian Koeberl mit der wissenschaftlichen Korrektheit, um nicht zu sagen wissenschaftlichen Ehrlichkeit nicht besonders genau nehmen, zeigt auch die Zitierweise in den „References“. Klickt man z.B. auf Zitate von Reimold und Koeberl (und vielen anderen Autoren) in den References, so landet man auf den Webseiten der jeweiligen Zeitschriften und findet dort alle bibliographisch wichtigen Daten und vor allem auch die kompletten Abstracts mit Keywords. Klickt man dagegen in den References den von Reimold und Koeberl zitierten Artikel von Ernstson et al. (2010) an, so landet man auf einer Scopus preview-Seite, auf der aber nur die üblichen knappen Angaben stehen, die auch bei Reimold und Koeberl in deren References zu lesen sind. Ein Abstract wird als nicht erhältlich indiziert. Dazu muss man wissen, dass der 30 Seiten lange Ernstson et al. (2010)-Artikel zum Chiemgau-Impakt (Titel: The Chiemgau Crater Strewn Field: Evidence of a Holocene Large Impact Event in Southeast Bavaria, Germany) vom Herausgeber der Zeitschrift vollständig im Internet publiziert ist und als PDF heruntergeladen werden kann:

http://elib.sfu-kras.ru/bitstream/2311/1631/1/04_.pdf

Es ist offensichtlich, dass Wolf Uwe Reimold und Christian Koeberl gar nicht wollen, dass ein „kritischer Leser“, den sie ja zitieren, einfachen und raschen Zugang zu diesem Artikel findet. Stattdessen wird ein deutschsprachiger Artikel (Dieter Heinlein) in einer kaum zugänglichen deutschen Zeitschrift als kritische Auseinandersetzung mit der Forschung zum Chiemgau-Impakt propagiert, vermutlich hoffend, dass dieser äußerst dürftige Beitrag wegen der deutschen Sprache international nicht weiter hinterfragt wird.

Dass Wolf Uwe Reimold den Ernstson et al.-Artikel nicht besonders liebt, wird der Leser, der den Artikel anklickt, unter 15. Conclusions and final remarks rasch nachvollziehen können. Dort bereits wird Reimold unmissverständlich vorgeworfen, dass seine Ablehnung des Chiemgau-Impaktes sich allein auf die Argumente der regionalen Eiszeit-Geologen stützt, er und alle weiteren Kritiker noch niemals vor Ort gewesen sind und noch niemals mit den Impakt-Befürwortern wissenschaftlich diskutiert haben sowie weitgehend von theoretischen Computermodellen ausgehen und geologische und mineralogische Geländebefunde ignorieren, zudem an alten, längst überholten Vorstellungen zu Kometen festhalten. Peinlich muss es z.B. für Wolf Uwe Reimold gewesen sein, als kurz nach dem Erscheinen des Ernstson et. al (2010)-Artikels der Carancas-Meteorit in Peru einen 13 m messenden Krater mit Schockeffekten (praktisch identisch mit dem Krater #001 im Chiemgau-Streufeld) erzeugt hatte, was nach Ansicht der Berliner Computer-Kratermodellierer ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte.

In diesem Zusammenhang und in weiterer Hinsicht zeigen die Ausführungen von Reimold und Koeberl, dass auch ihr Verständnis für Impaktstrukturen im geologischen Rahmen nicht sehr weit reicht, bzw. sich offenbar grundlegend geändert hat. Sie schreiben (Zitat; siehe oben) mit Bezug auf mögliche Fehlinterpretationen:

Es ist offensichtlich notwendig, die geologische Situation in ihrer Gesamtheit zu betrachten, z.B. ob kraterähnliche Strukturen in Karbonatgebieten auftreten, in tektonischen Gürteln oder in Regionen mit früherer und jetziger vulkanischer Aktivität, oder ob sie das Resultat eiszeitlicher Überprägung sind.

Wie sollen wir das verstehen? D.h. für die Deutung einer geologischen Struktur als ein Meteoritenkrater bzw. eine Impaktstruktur ist offenbar auch der geologische Rahmen eine wichtige Größe. Das hat bisher aus Mund und Feder von Reimold und Koeberl immer völlig anders geklungen: Ein Impakt ist nur dann diagnostisch gesichert, wenn Schockeffekte – mikroskopisch (PDFs, diaplektische Gläser) oder makroskopisch (Shatter Cones, Schock-Spallation) oder meteoritische Komponenten chemisch nachweisbar sind. Unabhängig von aller Geologie drum herum. Das entspricht auch dem allgemeinen Verständnis, dass Einschläge kosmischer Projektile ein rein statistischer Prozess sind, der sich nicht um die jeweilige Geologie des Auftreffgebietes kümmert. Genau konträr dazu heißt es nun aber bei Reimold und Koeberl, dass offenbar auch der geologische Rahmen gegen einen Impakt sprechen kann – ganz in der 100 Jahre alten Tradition regionaler Geologen, dass ein Impakt mit der regionalen Geologie nicht verträglich sei.

Interessant, dass sich Reimold und Koeberl nunmehr auf diese Schiene der regionalgeologischen Argumentation begeben. Aber wir wollen das doch eher als ein Vehikel ansehen, mit dem die beiden Autoren einmal mehr gegen die Chiemgau-Impaktforschung zu Felde ziehen und dabei offenbar gar nicht merken, dass sie in ihrer tiefen Abneigung gegen den Chiemgau-Impakt und dessen Protagonisten das Wort gerade denjenigen Geologen reden, die den Impakt immer als etwas Bedrohliches für ihre regionalgeologische Forschung betrachtet haben. Was bei den lokalen und regionalen Eiszeitgeologen der Chiemgau-Region genau der Fall ist.

Wir fassen noch einmal zusammen und ergänzen:

1          Wolf Uwe Reimold und Christian Koeberl benutzen einen Artikel über Impaktstrukturen in Afrika (!), um einmal mehr gegen den Chiemgau-Impakt, der mittlerweile als eine Realität mit nachgewiesenen Schockeffekten (PDFs, diaplektische Gläser, Shatter Cones) sowie spektakulären Befunden zur Geologie und Kosmochemie anzusehen ist, zu Felde zu ziehen. Solche „Feldzüge“ sind bei einigen führenden Impaktforschern innerhalb der sog. impact community (was auch immer das sein soll) gang und gäbe, insbesondere dann, wenn es um neuartige Erkenntnisse zum Impakt geht und sie nicht in die Forschung einbezogen wurden.

2          Die Autoren Reimold und Koeberl zitieren aus der Literatur einen einzig existierenden Artikel von Dieter Heinlein aus dem Jahr 2009, auf den sie sich als Beleg für fehlende Impaktbefunde beziehen. Eigene Untersuchungsergebnisse legen sie nicht vor. Der Autor Dieter Heinlein des betreffenden Artikels, der in deutscher Sprache und in einer kaum zugänglichen deutsche Zeitschrift für Hobby-Astronomen und Sternenfreunde erschienen ist, hat kein wissenschaftliches Studium absoviert und niemals über irgendein Impakt-Thema wissenschaftlich gearbeitet, ebenso nicht über Eiszeitgeologie. Diesen Autor und seinen ausnehmend dürftigen Beitrag als einziges Gegenargument zur Existenz des Chiemagu-Impaktes zu bemühen, kann nur als peinlich bezeichnet werden.

3          Während das Zitieren der Heinlein-Arbeit als peinlich charakterisiert werden muss, ist – mit einer Ausnahme – die komplette Unterschlagung der von den Chiemgau-Impaktforschern in Zusammenarbeit mit renommierten Forschern aus dem In-und Ausland publizierten 16 (!) hier genannten Beiträge z.B. auf klassischen internationalen Tagungen wie der Lunar & Planetary Science Conference, der Tagung der Meteoritical Society oder der Tagung der American Geophysical Union (AGU) ein wissenschaftlich absolut inakzeptabler Vorgang, der ein bezeichnendes Licht auf das Wissenschaftsverständnis von Reimold und Koeberl wirft.

4          Um offenbar den erneuten Angriff auf die Chiemgau-Impaktforschung zu rechtfertigen, verlangen Reimold und Koeberl, dass bei der Diskussion möglicher neuer Impaktkrater auch auf das regionalgeologische Umfeld zu achten ist, wobei sie eine eiszeitliche Überprägung speziell hervorheben, um damit das Chiemgau-Impaktstreufeld bei einzeitlich produzierten „Löchern“ anzusiedeln. Reimold und Koeberl merken dabei gar nicht, dass sie auf diese Weise ihr eigenes, stets formuliertes Postulat – Schock als Vorbedingung für Impakt-Akzeptanz – in Frage stellen und all den Regionalgeologen das Wort reden, die Impaktstrukturen ablehnen, weil diese mit den regionalgeologischen Gegebenheiten nicht verträglich seien.

5          Brian Martin (1993, Neudruck 2006) lässt grüßen.

Titel seines Artikels: Stamping out dissent. – Too often, unconventional or unpopular scientific views are simply suppressed.

Zum Anklicken: http://www.uow.edu.au/~bmartin/pubs/93nw.html

Literatur

Ernstson, K., Mayer, W., Neumair, A., Rappenglück, B., Rappenglück, M.A., Sudhaus, D., Zeller, K.W. (2010): The Chiemgau crater strewn field: evidence of a Holocene large impact event in Southeast Bavaria, Germany. J. Siberian Federal Univ. Eng. Technol. 1, 72–103.

Heinlein, D. (2009): Der so genannte ‘‘Kelten-Killer-Komet’’ – Gab es einen Kometeneinschlag im Chiemgau? VdS Journal für Astronomie 30 (III/2009), 84–86.

Martin, B. (2006): Stamping out dissent. – Too often, unconventional or unpopular scientific views are simply suppressed. New Concepts of Global Tectonics Newsletter, 38, 19-21.

Rappenglück, M.A. (2009): Was sagt man dazu? Die Kritik des Chiemgau Impakt kritisch betrachtet. Diskussion von: Dieter Heinlein: Der so genannte „Kelten-Killer-Komet“ – Gab es einen Kometeneinschlag im Chiemgau? In: Journal für Astronomie, III/2009, Nr. 30, Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V., S. 84-86.

Reimold, W.U. & Koeberl, C. (2014): Impact structures in Africa: A review. – J. African Earth Sci., 93, 57-175.