Neuer Artikel: A reassessment of the proposed ‘Lairg Impact Structure’ and its potential implications for the deep structure of northern Scotland. –
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Bouguer Schwere-Restfeldanomalie der sich für Lairg abzeichnenden Impaktstruktur: Eine präkambrische verborgene komplexe Struktur mit einem inneren Ring (Peak Ring) von 50 km Durchmesser und einem daraus abgeleiteten vollen Durchmesser von ca. 100 km.
Schwere-Profile des Restfeldes über die Lairg-Impaktstruktur, die einen inneren Ring (Peak-Ring) und äußere Eintiefungen vermitteln.
Übersetzung des englischen Abstract
Die negative Schwereanomalie von Lairg kann einen vergrabenen Einschlagkrater ∼40 km im Durchmesser darstellen, der das Liefergebiet für die 1,2 Ga (1,2 Milliarden Jahre) alte Stac Fada-Ejektaablagerung war, aber die Schwereanomalie ist zu groß, um einen einfachen Krater darzustellen, und es gibt keine Anzeichen für einen Zentralberg. Eine Neuanalyse der Daten der britischen Bouguer-Schwerekarte zeigt einen Ring positiver Anomalien um das zentrale Schwereminimum, was darauf hindeutet, dass es den erodierten zentralen Teil eines größeren komplexen Kraters darstellen könnte. Die inneren Ringe (Peak Rings) komplexer Krater zeigen ein weitgehend einheitliches 2:1-Verhältnis zwischen Ringdurchmesser und Gesamtkraterdurchmesser, was bedeutet, dass der angenommene Lairg-Krater bis zu 100 km groß sein kann. Dies würde den Kraterrand in einem Umkreis von wenigen Kilometern um den Ausläufer der Stac Fada-Formation platzieren, ein Ort, der nicht mit der Dicke und Größe der Ejektaablagerung verträglich ist. Wir schlagen vor, dass der mutmaßliche Einschlagkrater ursprünglich weiter östlich lag, wesentlich weiter von der Stac Fada-Ablagerung entfernt als heute, und während der kaledonischen Orogenese nach Westen an seinen heutigen Standort unter Lairg verlagert wurde. Dieses Modell erfordert, dass unter der Moine-Überschiebung in Nord-Zentralschottland eine tiefliegende Überschiebungsverwerfung existiert, analog zu den Überschiebungen von Flannan und Outer Isles.
Ergänzungen
Der hier präsentierte Artikel von Simms & Ernstson hat unschöne Begleiterscheinungen, von denen die Wissenschaft nicht verschont bleibt und was hier angesprochen werden soll.
Der Formation von Stac Fada ist vor rund 10 Jahren ihr wahrer Charakter einer Impakt-Ejektaablagerung zugeschrieben worden (Amor et al. 2008; Reddy et al. 2015). Das wurde allgemein akzeptiert, ohne dass der dazu „passende“ Krater gefunden werden konnte. Amor et.al (2008) meinten, ihn in der Nähe unter Wasser lokalisieren zu können. Stewart (2002) hatte zuvor gemeint, dass der Ursprung der Stac Fada Formation, die er als vulkanoklastische Bildung ansah, tatsächlich weiter östlich liegen müsse. Simms (2015) argumentierte ganz ähnlich und platzierte einen Krater, so er denn existierte, unter das schottische Festland. Geophysikalische Untersuchungen (Rollin 2009; Leslie et al. 2010) erkannten dann eine tiefe Schwereanomalie unter der Stadt Lairg, was durch einen Vergleich mit anderen Schwereanomalien von Impaktstrukturen Simms (2015) dazu veranlasste, dort einen Impaktkrater mit einem Durchmesser von etwa 40 km zu vermuten.
Ein neues Datenprocessing der britischen Schweredaten mit einer Fokussierung auf eine größere Region um die negative Lairg-Schwereanomalie führte zu dem nun publizierten Befund, dass der ursprüngliche 40 km-Krater als simpler Krater ohne Zentralberg so überhaupt nicht in das „Weltbild“ der Impaktforschung passen würde. Und tatsächlich ergab das neue Datenprocessing ein völlig stimmiges Bild eines komplexen Kraters mit einem Peak-Ring (siehe die Bilder ganz oben) und der Schlussfolgerung, dass der originale Lairg-Krater nach bekannten Regeln einen doppelt so großen Durchmesser wie die 50 km des Peak-Rings haben müsse.
So weit so gut. Überhaupt nicht so gut: Praktisch gleichzeitig (innerhalb weniger Tage) mit dem Artikel von Simms & Ernstson publizierte dieselbe Zeitschrift Journal of the Geological Society einen Artikel von Amor et al. (2019): The Mesoproterozoic Stac Fada proximal ejecta blanket, NW Scotland: constraints on crater location from field observations, anisotropy of magnetic susceptibility, petrography and geochemistry.
In diesem Artikel greifen Amor et al. mehr oder weniger dieselben Argumente auf, die Amor et al. bereits in Ihrer Arbeit 2008 für eine nahegelegene Unterwasserstruktur gebracht hatten, Argumente, die zu großen Teilen schon früher Simms kritisiert hatte.
Das wirklich Unschöne an der ganzen Sache: Der im neuen, jetzt gleichzeitig im Journal of the Geological Society erschienene Artikel von Amor et al. (2019) weist als Koautor auch Conal MacNiocaill aus. Und genau dieser Autor war der Scientific Editor (Wissenschaftlicher Herausgeber) UNSERES Artikels. Wen wundert es nun noch, dass der Review-Prozess zwischen Einreichen und Akzeptieren unseres Artikels beim Journal 498 Tage (!) gedauert hat. Offensichtlich musste erst der neue Amor et al.-Artikel fertig werden, in dem trotz Conal MacNiocaill als Koautor und gleichzeitiger Science Editor der neue Simms & Ernstson-Artikel nicht zitiert wird! Und auch in der britischen Presse wird nur über den von der Oxford-Universität lancierten Amor-Artikel als tolle Neuigkeit berichtet, ohne ein Wort zu dem 100 km-Krater, dem vermutlich größten europäischen.
Auch so funktioniert Wissenschaft.
Begleitmaterial:
Einige Peak-Ring-Krater im Sonnensystem mit typischem 1:2 Durchmesser von Peak-Ring und Gesamtdurchmesser.
Weitere Ergänzung: Gravimetrie – Schwereanomalien von Impaktstrukturen und Meteoritenkratern
Schwerkraftanomalien in Impaktstrukturen können aus ganz unterschiedlichen Prozessen resultieren. Kleine, einfache Krater zeigen im Allgemeinen eine etwa kreisförmige negative Anomalie (z.B. Abb. 1). Eine Brekzienlinse mit niedriger Dichte am Kraterboden, Sedimente junger Krater nach dem Aufprall und Zerbrechungen der Gesteine unter und um den Krater herum können zum Massendefizit beitragen.
Abb. 1. Schwereanomalien der kleinen einfachen Wolfe Creek-(Australien) und Brent-Krater (Kanada).
In größeren, komplexen Kratern mit Zentralbergen und/oder Ringen können auch Schwerkraftanomalien komplex sein (z.B. Abb. 2, 3). Wie in einfachen Kratern verursachen Gesteinsbrüche und niedrige Dichten von Schmelzgesteine, Sueviten und anderen Brekzien negative Anomalien, und post-impakt Sedimente niedriger Dichte können auch hier im Gegensatz zu den anstehenden Gesteinen vor dem Einschlag stehen. Darüber hinaus werden relativ positive Anomalien gemessen, wenn Gesteine höherer Dichte in der Modifikationsphase des Kraterprozesses zu den oben genannten Zentralbergen und Ringen aufgehoben wurden. Eine Schock-Lithifikation von porösem Gestein kann auch zu einer lokal erhöhten Dichte führen.
Abb. 2. Schwereanomalie der größeren (noch nicht ganz geklärt ca. 30 km oder 50 km) komplexen Rochechouart-Impaktstruktur (Frankreich).
Abb. 3. Schwereanomalie des komplexen Ries-Kraters; spezielle Datenbearbeitung (Berechnung des Horizontalgradienten) mit besserer Nachzeichnung von äußerem und innerem Ring (auch hier etwa ein 2:1- Verhältnis).
Abb. 4. Schwereanomalie der großen komplexen Manicouagan-Impaktstruktur (Kanada) und eine Zusammenzeichnung von Schwerefeld und eines Google Earth-Satellitenbildes.
In diesem Zusammenhang erweisen sich Schwerkraftmessungen als wertvolles Werkzeug bei der Untersuchung von Impaktstrukturen. Sie sind wichtig, um verborgene Impaktstrukturen zu erkennen (wie z.B. die berühmte gigantische Struktur von Chicxulub und nunmehr die 100 km-Struktur von Lairg), und sie können die ursprüngliche Größe von tief erodierten Kratern verfolgen, bei denen nur Relikte von Impaktiten auf eine Impaktursache hinweisen (wie z.B. die Rochechouart-Impaktstruktur; siehe Abb. 2).
Die Gravitations-Potentialtheorie sagt uns, dass aus der Integration über eine negative Schwereanomalie das gesamte Massendefizit unabhängig von der spezifischen Dichteverteilung berechnet werden kann. Da in Impaktstrukturen das Massendefizit mit der kinetischen Energie des Projektils zusammenhängt, sind Impakt-Energiebetrachtungen und Abschätzungen der verdrängten Massen möglich. Andererseits kann die Dichtemodellierung von Schwerkraftanomalien Details über die innere Struktur von Impaktkratern zeigen (siehe unten: Impaktstruktur des Steinheimer Beckens; Abb. 4, 5).
Abb. 4. Bouguer-Schwereanomalie der komplexen Steinheimer Becken-Impaktstruktur.
Fig. 5. Dichtemodelle für das Steinheimer Becken. Die Dichtemodelle belegen, das der Krater einen wesentlich größeren Durchmesser (7-8 km) als der bisher und immer noch zitierte Durchmesser von 3,8 km.
Trotz der frühen Publikation, die auch eine detaillierte morphologische Analyse bringt(Ernstson, K. (1984): A gravity-derived model for the Steinheim impact structure. – Int. J. Earth Sci., 73/2, 483-498. – http://www.springerlink.com/content/p7547v2q53745646/), werden auch in jüngeren Arbeiten (z.B. Stöffler et al. 2002, Ivanov and Stöffler 2005) sowie bei Wikipedia und in der kanadischen Earth Impakt-Datenbank diese Erkenntnisse einfach ignoriert bzw. extrem verfälschend zitiert (offenbar Methode bei gewissen Impaktforschern der sogenannten „impact community“). Dazu hier anklicken!