Neues aus der Welt der Impaktstrukturen, Meteoritenkrater und verwandter Themen

Wie werden in Zukunft in dieser Rubrik neue „einschlägige“ Informationen mit kurzen Kommentaren zusammenstellen, wobei Verlinkungen sowie Hinweise zu neueren und neuesten Publikationen eine wesentliche Rolle spielen werden. Es ist geplant, die Seite etwa alle ein bis zwei Monate „aufzufrischen“.

Es wird spannend: Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko und die Mission der ESA-Raumsonde Rosetta.

Voraussichtlich am 11. November 2014 wird Lander Philae von Rosetta freigesetzt und auf dem Kopf des zweiteiligen Kometen landen. Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko mit seiner eigenartigen Form (diskutiert wird u.a. ein binärer Kontakt-Komet) ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr sich Astronomen und Planetologen auf immer neue Erkenntnisse insbesondere zu Kometen einstellen müssen und wie kurzlebig Behauptungen in der Wissenschaft sein können. Exemplarisch haben wir das bei Prof. Jessberger vom Institut für Planetologie in Münster noch im Jahr 2006 erlebt, als er als Reaktion auf den ZDF Terra X-Film zum Chiemgau-Kometen geäußert hatte, lautstark und sinngemäß: “Über Kometen wissen wir alles.” Nur wenige (!) Monate später war von NASA-Spezialisten nach der Rückkehr von Proben der Stardust-Mission zu hören und zu lesen: Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in der Kometenforschung; wir müssen völlig neu darüber nachdenken, woher die Kometen kommen und wie sie zusammengesetzt sind. Die Mission Rosetta wird dazu – hoffentlich, bei glücklicher Landung – weiter signifikant beitragen.

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Meteoritenkrater in Nicaragua – oder doch nicht?

Am 8.9.2014 wurde bei Nicaraguas Hauptstadt Managua nach einem gewaltigen Explosionsknall ein umwallter Krater mit einem Durchmesser von 12 m angetroffen. Obwohl rasch die Meldung von einem Meteoriteneinschlag weltweit in die Medien Eingang fand (vergleichbar dem authentischen Einschlag von Carancas in Peru im Jahr 2007, der einen etwa gleichgroßen Krater erzeugte), kamen bei Wissenschaftlern bald Zweifel auf. Hauptgegenargument der NASA-Wissenschaftler: Niemand in der dicht bewohnten Gegend hat den eigentlich zu erwartenden Feuerball gesehen. Hier sei die Anmerkung erlaubt, dass gerade bei kleinen Meteoritenkratern die Experten vielfach falsch gelegen haben (Link: http://www.chiemgau-impakt.de/2012/12/04/chiemgau-impakt-schockeffekte-diaplektische-minerale-im-krater-001-der-carancas-krater-peru-und-die-frage-der-entstehung-sehr-kleiner-echter-impakt-krater/). – Bis heute (Oktober 2014) gibt es keine neuen Erkenntnisse zu dem Nicaragua-Ereignis.

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Ries-Moldavite in Polen

Tektite sind natürliche Gläser, die sich nach Meinung der meisten Impaktforscher bei einem meteoritischen Impakt in der ersten Kontaktphase von Projektil und Erdoberfläche bilden. Das geschmolzene und/oder verdampfte Gestein wird mit hoher Geschwindigkeit ausgeworfen und landet, abgekühlt und vielfach aerodynamisch geformt, in ausgedehnten Tektit-Streufeldern. Eins dieser Streufelder, das zentraleuropäische Feld der sogenannten Moldavite, wird wegen der Altersgleichheit mit dem Ries-Ereignis (Nördlinger Ries-Krater) in Verbindung gebracht und umfasste bisher Fundorte in der tschechischen Republik, Deutschland und Österreich.

Moldavit Tektit Impaktglas Nördlinger Rieskrater Ein Moldavit.

Über einen neuen Fund von Moldaviten wird in der August-Ausgabe der Zeitschrift Meteoritics & Planetary Science berichtet. In einer Kiesgrube im polnischen Niederschlesien wurden neun Moldavitfragmente < 8 mm geborgen, die chemisch mit den bisher analysierten Moldaviten korrespondieren. Es wird vermutet, dass die Fragmente fluviatil verfrachtet wurden und möglicherweise aus dem deutschen Moldavit-Teilfeld der Lausitz stammen. Der jetzige Fund in Polen schreibt mit 490 km vom Ries-Krater entfernt die bisher größte Transportweite fest (zuvor Funde zwischen 200 und 450 km Entfernung). Das vollständige Literaturzitat: Brachaniec, T., Szopa, K., Karwowski, Ł. (2014): Discovery of the most distal Ries tektites found in Lower Silesia, southwestern Poland. – Meteoritics & Planetary Science, 49,1315-1322.

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Noch einmal Tektite: Mikrotektite in den Voralpen

Über Funde vom Mikrotektiten in den nördlichen Voralpen, die dem Chiemgau-Impaktereignis zugeschrieben werden, berichtet ein Beitrag auf der diesjährigen Lunar & Planetary Science Conference in The Woodlands, Texas, USA. Literaturzitat: Ernstson, K., Hiltl, M., Neumair, A. (2014): Microtektite-like glasses from the Northern Calcareous Alps (Southeast Germany): Evidence of a proximal impact ejecta origin. – 45th Lunar and Planetary Science Conference, 1200.pdf. Herunterladen: http://www.chiemgau-impakt.de/wp-content/uploads/2014/03/LPSC-2014-abstract.pdf

mikrotektite Voralpen Chiemgau Impakt

Aus dem Beitrag: Chiemgau-Impakt – Mikrotektite aus den nördlichen Voralpen. Balkenlänge jeweils 100 µm.

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Saarland-Impakt

Exotische Glas- und Gesteinsfunde im Saarland nahe der französischen Grenze durch den Amateurarchäologen Werner Müller aus Nalbach haben in den vergangenen Jahren zu der Vermutung geführt, dass sich dort im Holozän ein meteoritischer Impakt ereignet haben könnte. Nach vorläufigen Publikationen (Müller 2012 https://de.scribd.com/doc/110982627/Saarland-Impakt-mutma%C3%9Flicher-Meteoriteneinschlag-bei-Nalbach-Prims-Update, Müller (2011) https://de.scribd.com/doc/51473614/Ein-moglicher-Meteoritenkrater-im-Saarland, Ernstson et al. (2013) http://www.chiemgau-impakt.de/wp-content/uploads/2013/08/Abstract-Nalbach-Chiemgau.pdf) ist nunmehr eine geologische Diplomarbeit an der Universität Trier fertiggestellt worden (Autor: Nico Berger). Sie hat sich schwerpunktmäßig den mineralogischen Eigenheiten der Funde von Werner Müller gewidmet und kommt zum Ergebnis, dass wegen der extrem starken und verbreiteten Schockeffekte in den Gläsern und Gesteinen ein Saarland-Impakt als belegt zu gelten hat. Die vollständige Diplomarbeit mit dem reichhaltigen Bildmaterial zur Schockmetamorphose in den Saarland-Proben kann heruntergeladen werden: https://de.scribd.com/doc/235616934/Strong-shock-metamorphism-establishes-meteorite-impact-in-the-Saarland-West-Germany. – Wegen der großen Ähnlichkeit vieler Funde im Saarland mit solchen des Chiemgau-Impaktes wird die Möglichkeit eines gemeinsamen Impakt-Ereignisses diskutiert.

diaplektischer Quarzit Saarland Impakt

Dünnschliffaufnahme aus der Diplomarbeit: Schockmetamorphose – praktisch vollständig zu diaplektischem Glas umgewandelte Quarzkörner eines Quarzits. xx Polarisatoren.

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Die Eisensilizide des Chiemgau-Impaktes: meteoritischer Ursprung erhärtet

Die vor gut 10 Jahren in Südostbayern gefundenen Eisensilizide, die die Hypothese des Chiemgau-Impaktes mit einem großen Meteoritenkrater-Streufeld begründeten, sind in einem neuen, zusammenfassenden Beitrag zu einer Mineralogentagung der Russischen Akademie der Wissenschaften als mit größter Wahrscheinlichkeit kosmischen Ursprungs vorgestellt worden Die Eisensilizide in einer engen und komplexen Verwachsung von Xifengit, Gupeiit, Suessit, Hapkeit, Naquit (Fersilicit) und Linzhit (Ferdizilicit) enthalten neben etwa 30 weiteren chemischen Elementen (darunter Uran, eigenartigerweise ohne Zerfallsprodukte) die Karbide Moissanit (Siliziumkarbid, SiC), Khamrabaevit [(Ti,V,Fe)C] und Titankarbid (TiC) in extrem reinen Kristallen bis mehrere Millimeter Größe, ferner die CAI-Minerale (calcium-aluminum-rich inclusions) Krotit und Dicalcium-Dialuminat. Mehrere Befunde deuten auf Schockereignisse, denen die Eisensilizide ausgesetzt waren. Literaturzitat: Rappenglück, M.A., Bauer, F., Ernstson, K., Hiltl, M. (2014): Meteorite impact on a micrometer scale: iron silicide, carbide and CAI minerals from the Chiemgau impact event (Germany). – Problems and perspectives of modern mineralogy. Yushkin Memorial Seminar–2014, Syktyvkar, Komi Republic, Russia 19–22 May 2014, Proceedings, p. 106-107. Anklicken: Abstract-Artikel und Poster. http://www.chiemgau-impakt.de/2014/05/30/chiemgau-impakt-neuer-beitrag-zur-mineralogie-der-funde-im-bereich-des-meteoritenkrater-streufeldes-2/

Eisensilizide Chiemgau Impakt REM Aufnahmen

Aus dem Artikel: Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop von den Eisensiliziden des Chiemgau-Impaktes.

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Impakt und Bodenverflüssigung (Gesteinsverflüssigung, Liquefaktion): Die „Donnerlöcher“ im Chiemgau – Neue Ereignisse und Befunde

Der weltweit zum ersten Mal nachgewiesene Zusammenhang zwischen einem Impakt-Ereignis und durchgreifender Bodenverflüssigung mit bis heute andauernder Erdfalltätigkeit ist in den vergangenen Jahren unter dem Schlagwort „Donnerlöcher vom Chiemgau“ mehrfach beschrieben und publiziert worden. Literatur: Kord Ernstson, Werner Mayer, Andreas Neumair, Dirk Sudhaus (2011): The sinkhole enigma in the Alpine Foreland, Southeast Germany: Evidence of impact-induced rock liquefaction processes. – Central European Journal of Geosciences, December 2011, Volume 3, Issue 4, pp 385-397. http://link.springer.com/article/10.2478%2Fs13533-011-0038-y. Ein erneuter Vorfall mit einem plötzlich entstandenen 8 m tiefen Erdfall, in den beinahe ein Mädchen gestürzt wäre, hat viel Aufsehen in den Medien erregt und neue Untersuchungen der Geologie und Geophysik initiiert. Hier der LINK zu einem neuen Artikel.

Liquefaktion Erdbeben Chiemgau Impakt

Aus dem Artikel: Erdbeben-induzierte Liquefaktionsstrukturen; Useless Bay, Whidbey Islands, WA, USA. Foto: Dave Tucker. Die eingefügte IP-Sektion (Pseudosektion der scheinbaren induzierten Polarisation) des geophysikalischen Electrical Imaging vom Baggerschurf des Donnerlochs von Helming zeigt verblüffende Ähnlichkeit.