Rubielos de la Cérida

Das Rubielos de la Cérida-Impaktbecken

– ein Teil der Azuara/Rubielos de la Cérida Kraterkette

Von einer Impakt-Kraterkette spricht man im allgemeinen dann, wenn sich drei oder mehr Impaktstrukturen aneinanderreihen, die sich in einem einzigen Impakt-Ereignis gebildet haben. Abgesehen von einigen wenigen anerkannten Doppelstrukturen (z.B. Clearwater West und Ost in Kanada, Ries und Steinheimer Becken in Deutschland) sind bisher drei irdische Kraterketten mit deutlich getrennten Strukturen genannt worden. Die Aneinandereihung von acht Strukturen in Missouri, USA, ist zwar auffällig, aber Altersdatierungen sprechen nicht für ein einziges Ereignis, und auch nur zwei von ihnen sind anerkannte Impaktstrukturen. Die wohlbekannte Aorounga-Impaktstruktur im Tschad mag von einer weiteren oder möglicherweise sogar zwei weiteren Kratern begleitet sein, aber es fehlen ausreichende Geländeuntersuchungen. 1998 wurde über ein einziges Impaktereignis publiziert, bei dem fünf große Impaktstrukturen, verteilt über Europa und Nordamerika, entstanden sein sollen. Andererseits kennt man multiple Impaktstrukturen sehr wohl vom Mond, vom Mars, von der Venus und von den Jupiter-Satelliten Ganymed und Callisto. Insbesondere die Entdeckung der eindrucksvollen Kraterketten auf Ganymed (Abb. 1) und Callisto – mysteriös bis zum Jupiter-Crash des auseinandergezogenen Shoemaker-Levy 9-Kometen im Jahr 1994 – erregte neues Interesse und förderte Untersuchungen über multiple Impakte durch auseinandergebrochene Asteroiden und Kometen.

 

 

Abb. 1. Die auseinander gezogene Kraterkette auf Ganymed.   http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ap011215.html; Galileo Project, Brown University, JPL, NASA.

Abb. 2. Das multiple Azuara-Impaktereignis erzeugte eine Kraterkette von etwa 120 km Länge.

Das August-Heft (2003) von Meteorite, internationale Zeitschrift für Meteorite und wissenschaftliche Meteoritenkunde, enthält einen Bericht über eine mehr oder weniger kontinuierliche Kraterkette – die erste dieser Art auf der Erde – mit mehr als 100 km Länge (siehe https://www.impaktstrukturen.de/Archiv/archiv.html ). Die Kette umfaßt die schon früher nachgewiesene mitteltertiäre Azuara-Impaktstruktur (siehe https://www.impaktstrukturen.de/spain/azuara.htm), die nahegelegene Rubielos de la Cérida-Zwillingsstruktur (siehe https://www.impaktstrukturen.de/abstract.html) als Teil eines verlängerten Impaktbeckens, sowie eine Ringstruktur (Torrecilla, Durchmesser 12 km), für die ebenfalls eine Impaktentstehung angenommen wird (siehe das Bild weiter unten).

Bei der Entdeckung dieser Kraterkette handelte es sich um einen langen Prozeß. Er beginnt in den achziger und frühen neunziger Jahren mit dem Nachweis (durch K. Ernstson und Arbeitsgruppe) der 35 – 40 km messenden Azuara-Impaktstruktur am Rand der alpidisch gefalteten Iberischen Ketten bzw. des tertiären Ebrobeckens.

1994 weisen K. Ernstson und Mitarbeiter zum ersten Mal auf einen möglichen Begleitkrater hin (Rubielos de la Cérida), der, ähnlich groß, etwa 50 km ssw‘ der Azuara-Struktur liegt und dasselbe mitteltertiäre Alter haben soll. In den folgenden Jahren stellt sich heraus, daß Rubielos de la Cérida tatsächlich sämtliche Merkmale einer Impaktstruktur besitzt. Dazu gehören eine einschlägig auffällige Morphologie mit einem mächtigen Zentralberg, bemerkenswerte strukturelle Merkmale, verbreitet Impakt-Auswurfmassen, Suevit-Breccien, Impakt-Schmelzgesteine sowie hochgradige Schockmetamorphose.

Inzwischen haben weitere Geländearbeiten und petrographische Untersuchungen gezeigt, daß Rubielos de la Cérida nicht etwa eine kreisrunde Impaktstruktur ist, sondern daß sie nur das nördliche Ende eines verlängerten Beckens bildet. Die Ränder des Beckens verlaufen grob Nord – Süd, und auch der Zentralberg von Rubielos de la Cérida findet eine Fortsetzung nach Süden in Form einer Bergkette, die mehr oder weniger symmetrisch zu den Beckenrändern angeordnet ist (siehe Bild weiter unten). Diese auffällige und eigenartige Verlängerung der Rubielos de la Cérida-Struktur ist eng verknüpft mit dem allgegenwärtigen Auffinden von wohlbekannten impakt-typischen Merkmalen, die bereits aus dem originalen Rubielos de la Cérida-Krater bekannt waren. Der „verlängerte“ Impakt wird dokumentiert durch besondere strukturelle Merkmale, häufige monomikte und polymikte Breccien und Brecciengänge, ausgedehnte Megabreccien sowie petrographische Befunde in Form von Impakt-Glas und Schockmetamorphose. – Der Leser wird eingeladen, den Spuren dieses gigantischen Impaktereignisses hier und jetzt zu folgen.